Bundestagswahl

SPD gewinnt vor Union – Ringen um Regierungs­bildung

Nach der Bundestagswahl beginnt das Ringen um die Regierungsbildung. Die SPD ist nach der Auszählung aller Wahlkreise zwar stärkste Kraft und will mit Olaf Scholz den Kanzler stellen – die Union erhebt aber ebenfalls den Anspruch, die Regierung anzuführen.

SPD gewinnt vor Union – Ringen um Regierungs­bildung

Die SPD hat die Bundestagswahl am Sonntag vor der CDU/CSU gewonnen und wird ­stärkste Fraktion im neuen Bundestag. Das zeigt das vorläufige Endergebnis des Bundeswahlleiters. Demnach verbessert sich die SPD auf 25,7% (2017: 20,5%). Die CDU/CSU fällt auf 24,1% (2017: 32,9%). Die Grünen klettern mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf 14,8% (8,9). Die FDP legt auf 11,5% (10,7) zu. Die AfD, bisher drittstärkste Kraft, kommt auf 10,3% (12,6), wird aber in Thüringen und Sachsen stärkste Kraft. Die Linke rutscht auf 4,9% ab (9,2). Da sie aber drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigt, kann sie laut Grundmandatsklausel trotzdem entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses im Bundestag bleiben.

 

Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit erheblich. Die SPD kommt auf 206 Sitze (2017: 153), CDU/CSU auf 196 (2017: 246), die Grünen auf 118 Mandate  (67), die FDP auf 92 (80), die AfD auf 83 (94) und die  Linke auf 39 (69). Der Südschleswigsche Wählerverband, als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit, zieht mit einem Abgeordneten in den Bundestag ein. Die Wahlbeteiligung lag mit 76,6 Prozent auf dem Niveau der vergangenen Wahl (76,2).

 

Nun beginnt das schwierige Ringen um die Regierungsbildung. Die SPD ist zwar stärkste Kraft geworden und will mit Olaf Scholz den nächsten Kanzler stellen – die Union erhebt aber trotz ihrer historischen Niederlage ebenfalls den Anspruch, die Regierung anzuführen. Beide setzen dafür auf ein Bündnis mit Grünen und FDP. Diesen beiden Parteien kommt damit die entscheidende Rolle zu bei der Frage, welche Partei am Ende den Kanzler stellen und die Regierung anführen kann.

 

Erste Dreierkoalition seit den 50ern wahrscheinlich

 

Rechnerisch einzig mögliches Zweierbündnis ist eine neue große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Deshalb dürfte es zum ersten Mal seit den 50er Jahren im Bund ein Dreierbündnis geben. CDU-Sptzenkandidat Armin Laschet sicherte etwaigen Partnern bereits zu, sie sollten in einer Regierung unter ihm durchaus mit eigenen Positionen sichtbar sein. FDP-Chef Christian Lindner schlug noch am Wahlabend vor, dass sich Liberalen und Grüne vorab zusammensetzen, um Schnittmengen und Streitpunkte zunächst untereinander auszuloten, bevor es in Sondierungen geht. Sein Vize Wolfgang Kubicki unterstützte das in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Lindner würde lieber mit Laschet koalieren, die Grünen lieber mit Scholz. Wann grün-gelbe Gespräche beginnen, war zunächst nicht bekannt. Förmliche Regeln für die Regierungsbildung gibt es nicht. Normalerweise lädt die stärkste Partei zu Gesprächen ein. Es hat aber auch schon Wahlen gegeben, in denen die zweitstärkste Kraft eine Koalition gebildet hat. Gegen Sondierungsgespräche kreuz und quer ist also nichts einzuwenden.

Vizekanzler und Finanzminister Scholz war mit der SPD als Außenseiter in den Wahlkampf gestartet, hat die Traditionspartei in den letzten Monaten aber aus einem Umfragetief an die Spitze im Dreikampf um das Kanzleramt katapultiert – auch dank der Fehler Laschets und Baerbocks. In dem Ergebnis sieht Scholz einen klaren Auftrag der Wähler. „Wir wollen die nächste Regierung bilden”, sagte er. Laschet erwähnte am Wahlabend das beispiellose Debakel von CDU/CSU eher beiläufig, formulierte aber selbstbewusst seinen Machtanspruch: „Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung. Deshalb werden wir alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.” Es geht nun also um die Frage, ob die SPD oder die Union ein Bündnis mit Grünen und FDP schmieden kann – also um eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition. Grünen-Chefin Annalena Baerbock, abgeschlagen auf Platz drei hinter Laschet und Scholz, legte sich nicht fest und sprach von einem “Wählerauftrag, für eine Erneuerung im Land zu sorgen”. Eine Option fällt für Scholz dabei weg: Rot-Grün-Rot hätte keine Mehrheit.

 

In der Regel dauert es nach einer Bundestagswahl ein bis drei Monate bis zur Vereidigung eines neuen Kabinetts. Bis Weihnachten war man fast immer fertig. Mit einer Ausnahme: Nach der Wahl 2017 dauerte es fast ein halbes Jahr, weil die Jamaika-Sondierungen an der FDP scheiterten – am Ende gab es eine unionsgeführte große Koalition. Scholz und Laschet sagten am Sonntag beide, sie wollte es vor Weihnachten schaffen.