Ein Schmählied gegen den Investor
Ein Schmählied gegen den Investor
Von Joachim Herr, München
Geldgeber sind im Fußball nicht unbedingt beliebt – nicht einmal im eigenen Verein. Das gilt zum Beispiel für Martin Kind bei Hannover 96 und für Hasan Ismaik, den Investor des TSV 1860 München. Dreh- und Angelpunkt der internen Auseinandersetzungen ist die 50-plus-1-Regel. Nach dieser Vorschrift der Deutschen Fußball Liga behalten die Vereine die Stimmenmehrheit, um die Übernahme durch einen Kapitalgeber zu verhindern. Ausnahmen sind Bayer 04 Leverkusen, der VfL Wolfsburg mit Volkswagen und die TSG 1899 Hoffenheim mit Dietmar Hopp.
Ismaik kann sich mit der Regel nicht anfreunden und hätte sie am liebsten auch für 1860 München gekippt. Der 46 Jahre alte jordanische Geschäftsmann ist mit seinem Unternehmen HAM International Ltd. seit 2011 beteiligt. Damals stand der Verein vor der Insolvenz.
Den Einstieg ließ sich Ismaik 18 Mill. Euro kosten. An der Kapitalgesellschaft des im Stadtteil Giesing beheimateten Traditionsvereins, der 1966 die deutsche Meisterschaft gewann, hält er 60%. Nach Ismaiks Meinung schützt die Regel nicht den deutschen Fußball, sondern schadet ihm und schwächt ihn sogar im Vergleich zu den Vereinen in England, Spanien und Italien.
Grauer Liga-Alltag
Sportlich gesehen haben sich Ismaiks Pläne bisher bei weitem nicht erfüllt. Er sah seine Löwen künftig in der Champions League mitspielen, hatte Ideen für ein neues Stadion – samt Gehege mit echten Löwen daneben. Doch der Liga-Alltag ist grau. Seit dem Abstieg aus der zweiten Bundesliga 2017 kommt die Mannschaft nicht mehr nach oben. Wegen finanzieller Schwierigkeiten stürzte sie damals sogar für ein Jahr in die vierte Klasse ab – in die Regionalliga Bayern.
Isamik hatte es abgelehnt, mit einer Zahlung von rund 11 Mill. Euro die Lizenzauflagen zu erfüllen. In der dritten Liga steckt der Verein nun fest. Aktuell besteht sogar Abstiegsgefahr: Nach 19 Saisonspielen liegt 1860 als 15. der Tabelle nur noch zwei Punkte von Rang 17 entfernt, dem ersten der vier Abstiegsplätze.
Streit mit dem Präsidium
Anfang Dezember wurde der Schweizer Trainer Maurizio Jacobacci nach nur knapp zehn Monaten und fünf Niederlagen in den letzten sechs Spielen vor die Tür gesetzt. Am Mittwoch in dieser Woche präsentierte 1860 den Nachfolger Argirios Giannikis. Über den Posten des Sport-Geschäftsführers, der neu zu besetzen war, stritten sich die Vertreter der Investorenseite mit dem Präsidium des Vereins wochenlang. Mit Hilfe der 50-plus-1-Regel setzte sich vor wenigen Tagen die Vereinsseite letztlich mit ihrem Kandidaten Christian Werner durch – gegen die Bedenken in Ismaiks Lager.
Anfang Dezember hatte sich Ismaik via Zeitschrift "Sport Bild" beschwert: "Niemand kann verlangen, dass der e.V. nach Lust und Laune Personal einstellt, und der Investor soll dann die Rechnung bezahlen." Auf der Gegenseite versucht der e.V., Ismaiks Einfluss auf Entscheidungen über das Sportliche einzudämmen. Der Machtkampf beider Parteien belastet schon seit Jahren den Klub.
"Scheiß auf den Scheich"
Ein Teil der Löwen-Fans gibt seinem Unmut über Ismaik im Stadion immer wieder lautstark Ausdruck mit dem Lied "Scheiß auf den Scheich, scheiß auf sein Geld." Als krasser Gegensatz dazu klingt auf der Internetseite von Ismaiks Investmentgesellschaft Marya Group das Motiv für das Engagement im deutschen Fußball: "Die historische Marke des TSV 1860, die treuen und leidenschaftlichen Fans waren ausschlaggebend für die Investition von Marya."
Vermögen geschrumpft
Sitz des von Ismaik gegründeten Unternehmens sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Ismaik, der Betriebswirtschaftslehre studiert hat, macht Geschäfte mit Immobilien, Öl und Gas. Auf der Seite von Marya reklamiert er für sich einen "soliden Ruf als einer der einflussreichsten Wirtschaftsführer im Nahen Osten". Im Sommer 2016 teilte Marya mit, für die Zukunft einen Börsengang zu erwägen. Bisher blieb es bei dieser Bekundung.
Ismaiks Vermögen schätzte das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin "Forbes" 2014 auf 1,4 Mrd. Dollar und bezeichnete ihn als ersten jordanischen Milliardär. Drei Jahre später nach Kursverlusten einer Beteiligung bezifferte es "Forbes" nur noch mit 341 Mill. Dollar. Aktuell sind es laut dem "Vermögen Magazin" angeblich 305 Mill. Euro. Zumindest einen kleinen Teil des Schwunds muss Ismaik für seine Beteiligung am TSV 1860 verbuchen.