Air-France-KLM-Verwaltungsratschefin beweist politisches Gespür
Verwaltungsratschefin
mit politischem Gespür
Von Gesche Wüpper, Paris
Sie sei eine starke Frau und eine geschickte Verhandlerin, sagen berufliche Weggefährten über sie. Vor allem aber verfügt Anne-Marie Couderc über eine Begeisterungsfähigkeit, die ansteckend wirkt. Wenn die Verwaltungsratsvorsitzende von Air France-KLM spricht, wird schnell deutlich, dass sie andere mit ihrem Enthusiasmus mitreißen kann. Kein Wunder vielleicht, denn ihre berufliche Karriere hat Couderc einst als Rechtsanwältin begonnen, bevor sie zwischenzeitlich in der Politik tätig war.
Verhandlungsgeschick musste die Juristin auch bei der französisch-niederländischen Fluggesellschaft immer wieder beweisen, seit sie im Mai 2018 den Vorsitz des Verwaltungsrates übernommen hat, zunächst übergangsweise. Dass Couderc so lange bleiben würde, hätte sie sich selbst vielleicht nicht träumen lassen. Denn Air France-KLM wollte die damals beschlossene Interimsphase eigentlich so schnell wie möglich beenden. Seitdem wurde Coudercs Mandat bereits zwei Mal verlängert. Inzwischen ist die frühere Verteidigungsministerin Florence Parly als ihre Nachfolgerin auserkoren worden.
Heikler Restrukturierungsplan bei Presstalis
Während der durch den Rücktritt des damaligen Konzernchefs Jean-Marc Janaillac ausgelösten Führungskrise musste die aus der Creuse stammende Juristin 2018 nicht nur nach einem geeigneten Nachfolger suchen, der sowohl die Spannungen zwischen der französischen und der niederländischen Seite beilegen konnte. Sie musste auch die Gewerkschaften von Air France beruhigen, die mit wiederkehrenden Streiks der Wettbewerbsfähigkeit der Airline schadeten.
Dass die Wahl von Air France-KLM für den Verwaltungsratsvorsitz damals auf Couderc fiel, war kein Zufall. Immerhin hatte die inzwischen 74-Jährige zuvor bei dem Medienvertriebsspezialisten Presstalis einen heiklen Restrukturierungsplan durchgesetzt, der den Abbau fast der Hälfte der Belegschaft und Sozialkonflikte nach sich zog, so dass viele Tageszeitungen immer wieder nicht erscheinen konnten. Am Ende mussten Staat und Verleger zu Hilfe eilen, um Presstalis vor der Pleite zu retten. Couderc sei es gelungen, ihnen Zugeständnisse abzuringen, die die Restrukturierungen für die Mitarbeiter von Presstalis so wenig schmerzlich wie möglich gemacht hätten, urteilte ein Branchenvertreter damals.
Politisches Gespühr
Auch wenn die Schwierigkeiten der Presse mit zu den Problemen von Presstalis beigetragen haben dürften, geriet Couderc später für ihre Rolle als Generaldirektorin und Verwaltungsratsvorsitzende des Unternehmens von 2010 bis 2017 in die Kritik. Ihr sei es nicht gelungen, Presstalis strategisch zu neuem Schwung zu verhelfen, bemängeln einige Beobachter. Aktivitäten seien ohne wirtschaftliche Logik zusammengelegt und Lager zu teuer gekauft worden, hieß es einem parlamentarischen Untersuchungsbericht.
Dennoch loben Weggefährten immer wieder das politische Gespür Coudercs, ihr Bewusstsein für das Gemeinwohl und Kräfteverhältnisse. Vielen Franzosen ist die Verwaltungsratschefin von Air France-KLM als Politikerin in Erinnerung geblieben. So war sie einst Stellvertreterin von Jacques Chirac, als der frühere Präsident Bürgermeister von Paris war. Unter Premierminister Alain Juppé war die Vertreterin der konservativen Partei RPR später als Staatssekretärin und beigeordnete Ministerin für Beschäftigungspolitik zuständig.
Der Zorn Lagardères
Nach dem Wahlsieg der Linken bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 1997 kehrte Couderc in die Medienbranche zu Hachette zurück, wo sie als stellvertretende Generaldirektorin die Verantwortung für die Magazine übernahm. Für den Verlag, der damals zur Lagardère-Gruppe gehörte, war sie bereits früher erst als Anwältin, dann als Chefsyndikus tätig gewesen. Couderc habe sich dann aber 2005 den Zorn von Firmenerbe Arnaud Lagardère zugezogen, weil sie ein Foto von Cécilia Sarkozy, der damaligen Frau von Nicolas Sarkozy, mit dem Geschäftsmann Richard Attias auf dem Titel von „Paris Match“ abgesegnet habe, berichtete das Nachrichtenmagazin „Le Point“.