Alan Jope kehrt Unilever Ende 2023 den Rücken
kro
Der britische Konsumgüterriese Unilever, bekannt für Marken wie Dove, Langnese, Knorr und Domestos, muss sich einen neuen Chef suchen. Nach fünf Jahren im Amt will sich Vorstandsvorsitzender Alan Jope (59) Ende 2023 von dem Unternehmen zurückziehen, wie er dem Verwaltungsrat mitgeteilt hat. Bei der nun beginnenden Nachfolgesuche werde man sowohl interne als auch externe Kandidaten in Erwägung ziehen, hieß es von dem Konzern, der seinen Sitz seit 2020 nur noch in London und nicht mehr wie zuvor auch in Rotterdam hat.
„Während ich mich meinem fünften Jahr als CEO nähere und nachdem ich mehr als 35 Jahre bei Unilever verbracht habe, glaube ich, dass jetzt für den Verwaltungsrat die richtige Zeit für die formelle Suche nach meinem Nachfolger gekommen ist“, sagte Jope. „Wachstum bleibt unsere Top-Priorität, und in den kommenden Quartalen bleibe ich voll auf die disziplinierte Umsetzung unserer Strategie konzentriert und darauf, die Vorteile unserer neuen Organisation nutzbar zu machen.“
An der Börse kam die Nachricht gut an. Die Aktie legte im frühen Londoner Handel um fast 4 % zu, nachdem sie in der gesamten Amtszeit Jopes kaum vom Fleck gekommen war und heute mit gut 41 Pfund fast genauso viel kostet wie zu seinem Amtsantritt im Januar 2019.
Bernstein-Analyst Bruno Monteyne schrieb in einer Schnelleinschätzung, dass der angekündigte Abschied des CEO das Vertrauen in eine potenzielle Wende stärke. „Trotz der großen Karriere, die Jope in dem Konsumgüterkonzern gemacht hat, dürften Investoren in einem Chefwechsel eine positive Nachricht sehen.“
Zunehmender Gegenwind
Jope hatte nach seinem Business-Studium an der University of Edinburgh 1985 als Trainee bei Unilever angefangen. Später stand er diversen Sparten vor und stieg 2019 schließlich zum CEO auf. Anfang des Jahres geriet er nach einem gescheiterten Übernahmeversuch des Consumer-Health-Geschäfts vom Pharmakonzern GlaxoSmithKline unter Druck. Für das Portfolio mit Marken wie der Zahnpasta Sensodyne und dem Schmerzmittel Voltaren war Unilever bereit, 50 Mrd. Pfund zu zahlen. Es wäre einer der teuersten Deals aller Zeiten in Großbritannien gewesen. GlaxoSmithKline lehnte das Angebot allerdings wegen „fundamentaler Unterbewertung“ ab und brachte das „Haleon“ genannte Geschäft später lieber an die Börse − wo es derzeit gerade mal 26 Mrd. Pfund auf die Waage bringt.
Für Jope blieb die Situation dennoch kompliziert. Wenige Tage nach der Abfuhr von GlaxoSmithKline wurde der Einstieg des aktivistischen Hedgefonds Trian bekannt, der von der schillernden Investmentlegende Nelson Peltz geleitet wird. Der Investor hatte sich in der Vergangenheit schon bei diversen anderen Konsumgüterkonzernen wie Pepsico oder Heinz eingekauft und dort auf den Putz gehauen. Kaum hatte sich die Nachricht verbreitet, schickte Unilever Ende Januar eine Mitteilung raus, in der der Konzern eine „Vereinfachung der Organisation“ inklusive eines Abbaus von 1500 Stellen im gehobenen Management ankündigte. Im Juli zog Peltz schließlich in den Verwaltungsrat von Unilever.
Von seinem Vorgänger Paul Polman hatte Jope das ehrgeizige Ziel vorgegeben bekommen, die bereinigte operative Marge bis 2020 auf 20 % zu steigern. 6 Mrd. Euro sollten zudem eingespart werden. Letztlich kam Unilever in dem Zieljahr auf eine Rendite von 18,5 %. Danach ging es wieder abwärts, wobei zuletzt vor allem die gestiegenen Kosten auf die Profitabilität drückten. Mit einer Verbesserung sei nun in den Jahren 2023 und 2024 zu rechnen, hieß es Ende Juli von dem Unternehmen. Zugleich betonte es mehrfach, dass die Priorität derzeit auf Wachstum liege.
Zu viel Fokus auf „Purpose“
Polman hatte Jope aber nicht nur monetäre Ziele mit auf den Weg gegeben. Auch hatte er zu seiner Zeit schon klargestellt, dass mit den Marken des Konzerns gleichzeitig ein guter Zweck erfüllt werden müsse. Hier musste sich Jope zuletzt allerdings den Vorwurf gefallen lassen, über das Ziel hinauszuschießen.
„Unilever scheint unter dem Gewicht eines Managements zu leiden, das versessen darauf ist, seine Nachhaltigkeitsreferenzen öffentlich zur Schau zu stellen, was allerdings den Fokus auf die Grundlagen des Geschäfts schwächt“, schrieb Terry Smith, Gründer des Vermögensverwalters und Unilever-Anteilseigners Fundsmith, Anfang des Jahres in einem Brief an seine Investoren. „Ein Unternehmen, das denkt, es müsste den Zweck von Hellmann’s Mayonnaise definieren, hat aus unserer Sicht klar den Faden verloren.“
Laut Smith sei der Streit um die Lieferung von Ben-&-Jerry’s-Eiscreme im Westjordanland das offensichtlichste aber bei Weitem nicht einzige Beispiel. Der Verwaltungsrat der Eiscreme-Marke hatte im Sommer vergangenen Jahres veranlasst, dass der Verkauf an jüdische Siedler in der West Bank und im Gazastreifen zur Unterstützung der Palästinenser eingestellt wurde. Das brachte der Marke Antisemitismusvorwürfe und Boykottaufrufe ein. Unilever verkaufte daraufhin das Geschäft in Israel an ihren dortigen Vertriebspartner. Eine Klage von Ben & Jerry’s gegen den Deal wurde Ende August von einem Richter abgewiesen.