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Albert Frère auch mit 91 auf Firmenjagd

Von Walther Becker, Frankfurt Börsen-Zeitung, 5.8.2017 Das versteht ein 91-Jähriger unter Ruhestand. Albert Frère, der 2015 von der Spitze der Groupe Bruxelles Lambert (GBL) abgetreten war, mischt weiter kräftig in der europäischen...

Albert Frère auch mit 91 auf Firmenjagd

Von Walther Becker, FrankfurtDas versteht ein 91-Jähriger unter Ruhestand. Albert Frère, der 2015 von der Spitze der Groupe Bruxelles Lambert (GBL) abgetreten war, mischt weiter kräftig in der europäischen Unternehmenslandschaft mit – auch in Deutschland. Frère, der mit der an der Euronext zu 14,4 Mrd. Euro bewerteten GBL die zweitgrößte Holding-Company in Europa aufgebaut hatte, beteiligt sich Hand in Hand mit seinem alten Partner Paul Desmarais aus Kanada mit gut 3 % am Maschinenbauer Gea.Der gebürtige Wallone Frère kann als Unternehmenshändler mit langfristigem Horizont und strategischem Weitblick gelten; kein Aktivist, aber ein sehr aktiver Anteilseigner, der sich oft mit kleinen Paketen engagiert, aber anders als so mancher Hedgefonds fast durchweg Erfolge mit seiner smarten Investmentstrategie verzeichnen kann. Insofern verwundert es nicht, wenn die Aktienkurse seiner Zielunternehmen regelmäßig kräftig steigen, sobald sein Einstieg kolportiert wird. Das ist bei Gea so und war schon Mitte Februar der Fall, als Berichte die Runde machten, GBL habe knapp 3 % an Hugo Boss erworben – und sei damit unter der meldepflichtigen Schwelle geblieben. Anders als aktivistische Investoren, die mit viel Tamtam auf rasche Veränderungen dringen, verfolgen GBL und Frère eher eine langfristige Strategie. Das Tagesgeschäft der GBL führen seit 2012 Ian Gallliene und Gérard Lamarche. Über die mit Desmarais gehaltene Partega kontrolliert er die GBL. Sprint mit AdidasDie belgische Beteiligungsgesellschaft sichert sich üblicherweise Einfluss bei ihren Investments – zuletzt bei Adidas. Sie stieg Mitte 2015 bei dem Sportartikler ein, setzte einen Sitz im Aufsichtsrat durch und stockte später auf 7,5 % auf. Das Engagement ist extrem lukrativ. Heute steht der Dax-Konzern für 14,8 % des GBL-Portfolios, das Paket stand Ende Juni mit 2,7 Mrd. Euro in der Bilanz. Bei Adidas machte GBL zeitweise gemeinsame Sache mit dem ägyptischen Milliardär Nassef Sawiris und US-Investor Mason Hawkins von Southeastern Management. Das Trio spielte auch eine Schlüsselrolle bei der Fusion des Zementriesen LafargeHolcim.Größer als Adidas sind die 54 % am französischen Bergbaukonzern Imerys. 18,4 % im Wert von 2,9 Mrd. Euro hält GBL an LafargeHolcim. Um 16,2 % oder ebenfalls 2,7 Mrd. Euro geht es bei dem Schweizer Prüf- und Überwachungskonzern GS und um gut 2,3 Mrd. Euro bei Pernod Ricard (7,5 %). Neben diesen und weiteren strategischen Anlagen weist GBL Incubator-Investments aus, zu denen etwa Ontex (Windeln), Burberry oder Parques Reunidos (Freizeitparks) gehören. Daneben hält GBL Beteiligungen an Small Caps über ihre Sienna Capital.1994 wurde der reichste Belgier Frère von König Albert II. geadelt und zum Baron erhoben. Sein Vermögen wird von “Fortune” auf 5,5 Mrd. Dollar geschätzt. Als Sohn eines Kleinunternehmers, der Altmetalle verwertete, baute er binnen weniger Jahre das Handelshaus Frère-Bourgeois auf und machte sich zum Stahlbaron. Ende der 1970er Jahre kontrollierte er das Eisenhüttengebiet seiner Heimat Charleroi. Früh erkannte er die Signale der Krise und verkaufte seine Stahlunternehmen an Belgien, wobei die damalige Cockerill-Sambre über die französische Usinor heute zu ArcelorMittal zählt. Mit BertelsmannDamals gründete Frère mit dem kanadischen Geschäftsmann Desmarais die Schweizer Pargesa Holding. Die Beteiligungsstruktur ist komplex. Die Erlöse nutzte Frère zur Expansion. Und er verleibte sich 1982 Groupe Bruxelles Lambert ein, worüber Frère die Banque Bruxelles Lambert (BBL) kontrollierte. Er kam zudem an den Medienkonzern Compagnie Luxembourgeoise de Télévision, zu dem die Mehrheit an RTL gehörte. BBL ging später an die niederländische ING. Und RTL wurde von Bertelsmann gekauft, wobei vereinbart wurde, dass Frère die 25 % an dem Familienunternehmen in Gütersloh, die er im Gegenzug erhielt, über einen Börsengang verkaufen kann. Doch das verhinderte 2006 die Familie Mohn. Sie kaufte den Frère-Anteil für 4,5 Mrd. Euro zurück und verschuldete sich dafür hoch. Damit war Europas größter Medienkonzern jahrelang paralysiert. Mit vielen Deals mit Aktienpaketen wie von Fina an Total oder Royale Belge an Axa sowie Tractebel an Suez (heute Engie) drehte Frère Beteiligungen an heimischen Unternehmen in Pakete von Multis mit liquiden Aktien, die sich lukrativ platzieren ließen.