Alles außer Kirschen: Teyssen setzt sich durch
Von Andreas Heitker, EssenSchon vor Beginn der Hauptversammlung zeigte sich Dr. Johannes Teyssen gelöst und in blendender Laune. Zwar war da offiziell noch längst nicht klar, ob die Eon-Aktionäre seinen Spaltungsplänen folgen würden. Aber Prognosen aus der Investor-Relations-Abteilung gingen bereits von einer Zustimmung von mehr als 90 % aus. Gegenanträge? Keine. Das gab es in der bisherigen Eon-Geschichte noch nie. Und Teyssen scherzt, er sei auf alles vorbereitet – auch auf eine mögliche Tortenattacke. Er habe einen zweiten Anzug dabei. “Es würde mich nur stören, wenn’s eine Kirschtorte wäre. Ich mag keine Kirschen.” Mann der alten EnergieweltZu Tortenwürfen aus Reihen der Anteilseigner kommt es nicht. Eine Stunde redet der Vorstandsvorsitzende ohne Störungen in der Essener Grugahalle, wo Eon üblicherweise die Hauptversammlungen abhält. 40 Minuten wirbt der promovierte Jurist für den Spin-off. Später folgt 20 Minuten lang ein Schnelldurchlauf durch die technischen Fragen der Spaltungspläne. Teyssens Führungsrolle wird von den Aktionären nicht in Frage gestellt; auch nicht, dass er, der Mann aus der alten Energiewelt, der lange Zeit sehr skeptisch der Wind- und Solarenergie gegenüberstand, künftig die neue, “grüne” Eon führen soll.Teyssen selbst, der seit gut einem Vierteljahrhundert im Konzern beziehungsweise den Vorgängerunternehmen arbeitet und der einmal sagte, er sei “mit Herz und Seele Eon-Mensch”, sagt dazu, er finde es “unglaublich spannend, die neue Energiewelt mit aufzubauen”. Aber er leidet auch ein wenig unter der Abspaltung des alten Kraftwerksgeschäfts, für das er immer noch viel übrig hat. In einem Interview mit der “Financial Times” sprach der gebürtige Hildesheimer, der im niedersächsischen Celle aufgewachsen ist, vor einigen Tagen von Phantomschmerzen – wie nach einer Amputation.Auch dass der 56-Jährige in seinen bislang sechs Jahren als Vorstandschef immer wieder Ziele zurücknehmen musste oder strategische Vorhaben nicht gelangen, wird ihm nicht persönlich angelastet. So kündigte er bei seinem Amtsantritt zum Beispiel an, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Es sei nicht tragbar, wie die Energiebranche bislang mit Frauen umgegangen sei, hatte er gesagt. Eine Frau im Vorstand von Eon oder von Uniper sucht man heute aber vergebens.Bei der Vorstellung seiner ersten eigenen Strategie im November 2010 kündigte Teyssen an, Eon werde bereits fünf Jahre später ein Viertel des operativen Gewinns außerhalb Europas erwirtschaften. Dieses Ziel wurde sehr schnell wieder eingestampft. Ohnehin lief es mit den Investitionen im Ausland alles andere als geplant: Vom Einstieg in der Türkei hatten sich auch viele Analysten mehr versprochen. Und der Ausflug nach Brasilien geriet gar zum Milliardendesaster.Vieles lief in den vergangenen Jahren gegen Teyssen: In Brasilien war es der Absturz seines Partners Eike Batista. Das Fukushima-Unglück und der anschließende beschleunigte Atomausstieg trafen Eon im Heimatmarkt überproportional. Bei Teyssens Amtsantritt an der Vorstandsspitze hatte die Atomkraft im Eon-Erzeugungsmix noch einen Anteil von 26 %. Damals waren Umbrüche in der Energiewirtschaft bereits absehbar gewesen. Dass diese aber in einer solchen Geschwindigkeit den Markt umwälzen und der Boom der Erneuerbaren den Strombörsenpreis so sehr unter Druck setzen würde, hatte niemand erwartet.Die Stärke des vierfachen Familienvaters Teyssen ist aber nicht nur das Zuhören, sondern auch die Kraft zur klaren Weichenstellung. Dies zeigte sich bei der Spin-off-Entscheidung, mit der der Eon-Vorstand einen echten Coup landete. Dies zeigte sich aber auch im vergangenen Jahr, als die Spaltungspläne – getrieben von der Politik – noch einmal geändert wurden und das deutsche Atomkraftgeschäft kurzerhand wieder von Uniper auf die neue Eon umgehängt wurde.Nach eineinhalbjährigen konzentrierten Vorbereitungen hat Eon jetzt die Neuerfindung des Konzerns, der größten Transaktion in der jüngeren europäischen Industriegeschichte, wie Teyssen betont, unter Dach und Fach gebracht. Dem Börsengang von Uniper noch in diesem Jahr steht nun nicht mehr viel im Wege. Es ist auch für Teyssen persönlich ein großer Erfolg. Er hat Eon mit Leidenschaft als “First Mover” in der europäischen Energiewirtschaft auf die Zukunftsgeschäfte Netz, Vertrieb und erneuerbare Energien ausgerichtet und damit Maßstäbe auch für die europäischen Wettbewerber gesetzt. Jetzt geht es darum, auch die Marke Eon noch mit neuem Leben zu füllen.