Ruth Porat steigt auf

Alphabet-Investmentchefin wird zur zentralen Figur im KI-Rennen

Ruth Porat hat ihren Einfluss bei Alphabet noch ausgeweitet. Als Investmentchefin und Präsidentin der Google-Mutter ist sie zur zentralen Figur im KI-Wettrennen geworden.

Alphabet-Investmentchefin wird zur zentralen Figur im KI-Rennen

Alphabet-CIO wird zur zentralen Figur im KI-Rennen

Von Alex Wehnert, New York

Ruth Porat ist Herrin über Milliarden. Bereits während ihrer Amtszeit als Finanzchefin von Google und deren Mutter Alphabet fanden ihre Aussagen zu den Kapitalaufwendungen des Technologieriesen großen Nachhall, nun hat die ehemalige Morgan-Stanley-Bankerin ihren Einfluss noch ausgeweitet.

So verkündete der Konzern im vergangenen Jahr, dass Porat in die neu geschaffene Rolle der Chief Investment Officer und zugleich zur Unternehmenspräsidentin aufsteige – bald kann sie sich voll auf diese Funktionen konzentrieren. Denn mit Anat Ashkenazi, der bisherigen Finanzchefin des Pharmakonzerns Eli Lilly, hat Alphabet nach einjähriger Suche eine CFO-Nachfolgerin gefunden.

Breites Asset-Portfolio

Porat soll nicht nur die Verbindungen des Giganten aus Palo Alto zur Politik pflegen und dort Sensibilität für die Bedeutung aufstrebender Technologien wecken. Sie verantwortet auch ein breites Investmentportfolio abseits des Suchmaschinen- und Werbegeschäfts, von Infrastruktur und Immobilien über Datenzentren bis hin zu Assets in Märkten wie Indien, in denen Alphabet expandieren will. Damit wird Porat zunehmend auch zur entscheidenden Figur im Wettrennen der Tech-Riesen um die Vormachtstellung bei künstlicher Intelligenz (KI).

Die Konzerne lassen sich dieses Rennen hohe Summen kosten. Bank of America rechnet damit, dass sich die Investitionsausgaben großer Cloud-Dienstleister 2024 auf 180 Mrd. Dollar belaufen werden. Allein Alphabet legte für das erste Quartal Aufwendungen von mehr als 12 Mrd. Dollar offen, im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies nahezu eine Verdopplung. Porat stellte die Investoren darauf ein, dass die Ausgaben auch künftig auf diesem Niveau liegen dürften.

Ringen um Anschluss an Microsoft

Denn die Google-Mutter muss auf dem Zukunftsfeld KI darum kämpfen, den Anschluss an die schärfste Konkurrentin Microsoft zu halten. Diese hat seit 2019 rund 13 Mrd. Dollar in das für seinen Textgenerator ChatGPT bekannte Start-up OpenAI gesteckt und sich im Gegenzug eine effektive Beteiligung an 49% von dessen zukünftigen Gewinnen gesichert. Durch Kooperationen mit dem französischen Start-up Mistral und der wie Alphabet in Palo Alto ansässigen Inflection AI hat Microsoft sich zudem breiter aufgestellt. Der Assetmanager Alliance Bernstein bezeichnet die KI-Produkte des Konzerns aus Redmond, Washington, als „bedeutend fortschrittlicher als das, was vonseiten der Konkurrenz verfügbar ist“.

Alphabet hatte sich mit der Einführung neuer KI-Tools lange zurückgehalten, weil der Konzern „verantwortungsvoll agieren“ und keine unreifen Anwendungen auf den Markt werfen wollte. Nachdem der Druck durch Microsoft stieg und Analysten über einen Verlust der Vormachtstellung von Google im Suchmaschinenmarkt unkten, sah sich CEO Sundar Pichai zu einer schnelleren Kommerzialisierung der Technologie gezwungen.

Unter den mächtigsten Frauen der Welt

Der Vorstandschef arbeitet nun seit Monaten daran, eine stromlinienförmigere Struktur zu schaffen, um Google fitter für ein lang anhaltendes KI-Rennen zu machen. Neben der Neuaufstellung von Entwicklungsteams des Tech-Riesen dürften laut Beobachtern für den Erfolg aber auch Porats Investmenterfahrung und starkes Netzwerk entscheidend werden. Die in Großbritannien geborene Managerin, die in Rankings der mächtigsten Frauen der Welt regelmäßig auf den vorderen Plätzen auftaucht, übt in einer Vielzahl von Aufsichts- und Beiräten Einfluss aus, unter anderem bei der Investmentgesellschaft Blackstone oder beim Stiftungsfonds der Universität Stanford.

Alphabet-CEO Sundar Pichai will die Google-Mutter im KI-Wettrennen stromlinienförmiger aufstellen. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Eric Risberg.

Dass die ehemalige Morgan-Stanley-Finanzchefin nicht nur im Silicon Valley, sondern auch an der Wall Street so umtriebig ist, gilt als förderlich für ihre Ideenfindung. Denn wenngleich Alphabet auf hohen verfügbaren Cash-Beständen sitzt, kann Porat Investitionen nicht mit der Gießkanne verteilen. Zu groß ist der Druck durch Aktionäre, die im KI-Wettkampf zählbare Erfolge sehen wollen – und auch durch die Kartellbehörden, die gerade die zahlreichen Start-up-Deals von Konkurrentin Microsoft kritisch beäugen.

Kreativität und Reformwille als Stärken

Analysten loben indes Porats als CFO unter Beweis gestellte Fähigkeit zur Ausgabenkontrolle. Und dass die Absolventin der renommierten Wharton School der University of Pennsylvania über das nötige Maß an Kreativität verfügt, um auch in schwierigen Situationen attraktive Finanzierungsmodelle zu finden, zeigte sie bereits als Investmentbankerin nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Damals organisierte sie europäische Kredite, die Amazon vor dem Kollaps bewahrten. Und im Nachgang zur Finanzkrise 2008 bewies sie als Beraterin der Treasury und des Internationalen Währungsfonds einen starken Reformwillen.

Eine Kämpferin hat Alphabet mit Porat ohnehin an Bord. Vor über 15 Jahren wurde bei der „self-made woman“ zweimal Brustkrebs diagnostiziert. Über ihre Erfahrungen mit der Krankheit spricht und schreibt die Managerin in Interviews und Blogposts offen. Zudem engagiert sie sich im Beirat der Krebsklinik Memorial Sloan Kettering Cancer Center und will mit Google nach eigener Aussage dafür sorgen, Healthcare-Innovationen auch durch KI breiter verfügbar zu machen. Als Herrin über Milliarden befindet sie sich dafür in einer guten Ausgangsposition.

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