Amerikas Unternehmenslenker stehen unter heftigem Druck
Amerikas Unternehmenslenker stehen unter heftigem Druck
Von Alex Wehnert, New York
Auf Amerikas Führungsetagen geht Nervosität um. Denn CEOs und Verwaltungsratschefs müssen angesichts eines steigenden Drucks durch Shareholder-Aktivisten und andere Investoren in Scharen um ihre Jobs bangen. Bei Southwest Airlines steht Executive Chairman Gary Kelly beispielsweise vor dem Aus. Im Anschluss an die Hauptversammlung im kommenden Jahr will der Manager, der die CEO-Rolle bereits 2022 nach rund 17 Jahren abgegeben hatte und den Verwaltungsrat seit 2008 führt, zurücktreten – angeblich freiwillig.
Aktivist attackiert Airline
Damit kommt er allerdings einer Umwälzung auf der Führungsebene zuvor, die der aktivistische Investor Elliott Investment Management ins Rollen gebracht hat. Dieser legte Anfang Juni eine Beteiligung im Umfang von nahezu 2 Mrd. Dollar an Southwest, die auf einen Börsenwert von rund 17 Mrd. Dollar kommt, offen, und drang auf Änderungen am „veralteten Geschäftsmodell“ der Airline.
Diese fokussierte sich seit der Gründung 1973 darauf, die Ticketpreise der Konkurrenz zu unterbieten, und stieg gemessen an der Zahl der beförderten Passagiere zur größten Fluggesellschaft der Welt auf. Doch nach 47 aufeinanderfolgenden profitablen Jahren sorgte die Corona-Pandemie für einen Milliardenverlust und anhaltende Belastungen, während das Image als kundenfreundlicher Carrier durch Tausende wetterbedingte Flugausfälle in der Weihnachtssaison 2022 nachhaltigen Schaden genommen hat. Die Krise beim Flugzeugbauer Boeing, auf dessen Maschinen sich Southwest stützt, begrenzt die Expansionsmöglichkeiten überdies massiv. In den vergangenen fünf Jahren hat die Southwest-Aktie ihren Wert folglich halbiert.
Rückendeckung für CEO
Elliott macht sich insbesondere für eine Absetzung von CEO Bob Jordan stark, dem sein Vorgänger an der Vorstandsspitze nun aber den Rücken deckt. Der aktuelle Chef verfüge über „eine jahrzehntelange nachweisbare Erfolgsbilanz“ und besitze die nötigen Eigenschaften, „um Southwest durch eine signifikante Transformation zu führen und eine neue Ära des profitablen Wachstums, der Innovation und der Branchenführerschaft einzuläuten“, schrieb der scheidende Executive Chairman Kelly in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an Investoren.
Zugleich hole Southwest sich zu ihren Plänen für einen geschäftlichen Umschwung Rückmeldungen von Investoren und externen Experten wie dem früheren Spirit-Airlines-Chef Robert Fornaro ein. Die texanische Fluggesellschaft hatte im Juli angekündigt, ihre über Jahrzehnte praktizierte Open-Seating-Strategie, bei der Passagiere während des Boardings einfach wie im Stadtbus jeden freien Platz wählen können, aufzugeben. Damit will sich Southwest für mehr Kunden attraktiv machen und die Erlöse ankurbeln. Zudem plant die Airline, mehr Premium-Angebote und Nachtflüge ins Programm aufzunehmen. Nach Ansicht von Elliott fallen die strategischen Änderungen allerdings nicht weitreichend genug aus.
Stimmrechtskampf steht an
Dass der Verwaltungsrat Jordan noch lange stützen kann, ist laut Analysten zweifelhaft. Denn nicht nur Kelly steht vor dem Aus. Sechs weitere Direktoren haben ihren Abschied schon im November angekündigt. Vier Plätze im Verwaltungsrat will Southwest kurzfristig füllen und bei weiteren Besetzungen auch Kandidaten von einer Liste prüfen, die Elliott im August vorlegte. Der Investor will auf der nächsten Hauptversammlung nach zehn der 15 Sitze im Direktorium greifen.
Der Wirbel bei Southwest steht exemplarisch für den zunehmenden Druck, dem Amerikas Unternehmenslenker ausgesetzt sind. Bei der Kaffeehauskette Starbucks musste der als Nachfolger des einflussreichen Howard Schultz ausgewählte Vorstandschef Laxman Narasimhan jüngst nach nur 16 Monaten seinen Hut nehmen. Abgelöst wurde er Anfang September von Brian Niccol, der den CEO-Posten bei der Fast-Food-Kette Chipotle verlässt.
Amtszeiten werden kürzer
Laut der Vermittlungsfirma Challenger, Gray & Christmas verließen bereits zwischen Januar und März 622 Vorstandschefs ihre Jobs, gegenüber dem Vergleichswert aus dem Vorjahreszeitraum stellt dies eine Verdopplung dar. Der Trend setzte sich im zweiten Quartal fort – damit befindet sich das laufende Jahr auf dem besten Weg, Personal-Außenvermittlern Rekordauftragszahlen einzubringen. Die Median-Amtszeit von CEOs im S&P 500 geht dabei seit Jahren zurück: Belief sie sich 2013 laut der Personalberatung Equilar noch auf sechs Jahre, lag sie bereits 2022 nur noch bei 4,8 Jahren.
Während unternehmensspezifische Krisen und Konflikte mit Direktoren oder Eigentümern häufig den Auslöser für Führungswechsel bilden und das schwierige Konjunkturumfeld im US-Wahljahr für Unruhe sorgt, stellen sich einige CEOs selbst ein Bein. Bei der Eisenbahngesellschaft Norfolk Southern musste Chef Alan Shaw nun seinen Hut nehmen. Hintergrund ist eine mutmaßlich nicht offengelegte Beziehung zur Leiterin der Rechtsabteilung des Unternehmens, die dem Vorstandsvorsitzenden unterstellt ist. Shaw wird auf der Spitzenposition von Mark George beerbt, der seit 2019 Finanzchef von Norfolk Southern ist – der bisherige Treasurer Jason Zampi übernimmt nun kommissarisch den CFO-Posten.
Vergütungen auf dem Spiel
Für den studierten Ingenieur Shaw endet damit eine turbulente mehr als zweijährige Amtszeit, in deren Verlauf er sich mit Aktivistenattacken herumschlagen und eine Krise um die Entgleisung eines mit giftigen Chemikalien beladenen Zuges in Ohio managen musste. Nun steht für ihn auch finanziell viel auf dem Spiel: In den vergangenen Jahren haben mehrere prominente CEOs, die aufgrund von persönlichen Beziehungen abtraten, millionenschwere Vergütungen zurückzahlen müssen. Die Aussicht auf hohe Einbußen dürfte die Nervosität auf Amerikas Führungsetagen noch steigern.