Anleger feiern neuen Wirecard-Chefaufseher
Von Stefan Kroneck, MünchenNach einer langen Talfahrt seines Aktienkurses hat der unter Druck geratene Zahlungsabwickler Wirecard zum Wochenauftakt bei den Anlegern punkten können. Die Börse nahm die Nachricht mit Erleichterung auf, dass das Dax-Unternehmen seinen Chefaufseher ausgewechselt hat. Das Papier gewann in der Spitze fast 4 % auf 115,25 Euro an Wert. Zuvor hatte Wirecard ad hoc mitgeteilt, dass der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Wulf Matthias (75) sich entschieden habe, mit sofortiger Wirkung sein Amt abzugeben, um einen “Generationenwechsel einzuleiten”. Er wolle bis zum Ablauf seines Mandats im Sommer 2021 als einfaches Mitglied dem Aufsichtsrat (AR) angehören. Zum Nachfolger habe das Gremium einstimmig Thomas Eichelmann (54) gewählt.Mit dem vorzeitigen Wechsel signalisiert Wirecard den Willen, auch ihre in die Kritik geratene Corporate Governance zu verbessern. Aus Sicht des Kapitalmarktes ist mit der Personalie Eichelmann die Hoffnung verbunden, dass sich der Neue an der AR-Spitze zu einem überzeugenden Gegengewicht zum Vorstandsvorsitzenden und Großaktionär Markus Braun (51) entwickelt. Der frühere Bankmanager Matthias zählte zum Kreis der Getreuen des mächtigen CEO. Im Zuge der wiederholten Vorwürfe der “Financial Times” (FT), der Konzern habe Bilanzen manipuliert, machte er keine gute Figur. Im Oktober kam es bei Wirecard zu einer Kommunikationspanne. Nach erneuten Beschuldigungen der britischen Tageszeitung trat Braun die Flucht nach vorn an und entschied zusammen mit dem AR, KPMG als unabhängigen Sonderprüfer einzusetzen. Kurz zuvor hatte Matthias noch verneint, dass ein derartiger Schritt notwendig sei. Aufstieg vorgezeichnetMit der Mandatierung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die Konzernbilanz zu durchleuchten, gewann Eichelmann im Herbst deutlich mehr Einfluss in der Verwaltung von Wirecard. Als Vorsitzender des neu geschaffenen Prüfungsausschusses im AR begleitet er die Untersuchung von KPMG – ein Indiz dafür, dass Matthias den früheren Finanzvorstand der Deutschen Börse zu seinem Nachfolger aufbaute. Der Wechsel ist daher keine Überraschung. Angesichts der Baustellen des Unternehmens in Sachen Transparenz war dies überfällig. Zuvor hatte Matthias erklärt, nicht mehr für eine Wiederwahl anzutreten. Erwartet wurde zunächst, dass er das Gremium bis zum nächsten Aktionärstreffen am 2. Juli leitet. Er führte den AR elf Jahre.Eichelmann gehört dem Wirecard-AR erst seit Juni 2019 an. Im Frühsommer vergangenen Jahres wählte ihn die Hauptversammlung auf Vorschlag der Verwaltung in den AR. Das war ein entscheidender Schritt, um dem Gremium in der Glaubwürdigkeitskrise des Unternehmens am Aktienmarkt ein stärkeres Format zu verleihen. Von den Kursturbulenzen hat sich die Wirecard-Aktie bislang noch nicht vollständig erholt. Wegen des Verdachts auf Marktmanipulation wird gegen unbekannt ermittelt. Die “FT” hatte die Anleger mit Vorwürfen verunsichert, Wirecard bilanziere bei ihrer Tochter in Singapur unsauber. Ein Vorwurf, den Braun nur teilweise widerlegen konnte.Wirecard zufolge wird KPMG die Sonderprüfung bis Ende März abschließen. Einen Bericht dazu will das Unternehmen veröffentlichen. Regulärer Abschlussprüfer des Konzerns ist EY, die die Bilanzen der vergangenen Jahre uneingeschränkt testierte. Am Montag wurde bekannt, dass der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Schirp eine weitere Sonderprüfung anstrebt. Seine Kanzlei vertrete Kleinaktionäre, die 2,5 % des Grundkapitals auf sich vereinten. Zwei dominante ManagerOb das Gespann Braun-Eichelmann die richtigen Weichen stellt, muss sich noch erweisen. Fakt ist, dass sich das Duo zusammenraufen muss, um Wirecard aus der Krise zu führen. Beide sind starke, dominante Charaktere. Wirecard ist bisher komplett auf Braun ausgerichtet. Der CEO, der mehr als 7 % des Grundkapitals hält, geriert sich gerne als Visionär. “Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Thomas Eichelmann”, ließ er verlautbaren.Eichelmann ist ein Managertyp, der aneckt. Er gilt als sachkundiger und tatendurstiger Gestalter. Der in München ansässige Wirtschaftswissenschaftler und einstige Unternehmensberater führte bis 2018 zehn Jahre lang die Beteiligungsgesellschaften der Unternehmerfamilie Helmig (Aton/Horus). Zuvor war er von 2007 bis 2009 Finanzvorstand der Deutschen Börse. Wegen Unstimmigkeiten mit dem damaligen Vorstandschef Reto Francioni verließ er das Unternehmen nach nur zwei Jahren. Eichelmann war in den Aufsichtsräten des Baukonzerns Hochtief und des Finanzdienstleisters Wüstenrot & Württembergische tätig.