IT-Dienstleister Atos

Umstrittener Verwaltungsratschef von Atos nimmt den Hut

Der bei Aktionären in die Kritik geratene Verwaltungsratschef von Atos tritt zurück und wird durch Ex-Unicredit-Chef Mustier ersetzt. Der IT-Dienstleister verschiebt zudem einen umstrittenen Verkauf seines historischen Geschäfts an den tschechischen Geschäftsmann Kretinsky.

Umstrittener Verwaltungsratschef von Atos nimmt den Hut

Verwaltungsratschef von Atos nimmt den Hut

Gesche Wüpper, Paris

Neuer Paukenschlag bei dem französischen IT-Dienstleister Atos. Der vor allem bei Kleinaktionären stark in die Kritik geratene Verwaltungsratschef Bertrand Meunier hat überraschend seinen Hut genommen. Parallel zum Rücktritt Meuniers kündigte der bis 2019 von EU-Kommissar Thierry Breton geführte Konzern an, der umstrittene Verkauf des lahmenden traditionellen Geschäfts an den tschechischen Geschäftsmann Daniel Kretinsky werde verschoben.

Nachfolger des 67-jährigen Meuniers, der seit 2019 an der Spitze des Verwaltungsrates von Atos stand, soll Jean-Pierre Mustier werden. Der frühere Unicredit-Chef gehört dem Kontrollorgan des IT-Dienstleisters erst seit Mai dieses Jahres an. Im August wurde er in den Aufsichtsrat von Aareal Bank gewählt, wo er Hermann Wagner als Vorsitzenden ablösen soll, wenn die EZB ihre Zustimmung gegeben hat.

Der 62-jährige Absolvent der Kaderschmiede Ecole Polytechnique hat einen Großteil seiner Karriere bei Société Générale gemacht, wo er zuletzt stellvertretender Generaldirektor war. Nachdem Jérôme Kerviel der Bank mit seinen betrügerischen Geschäften 2008 einen Milliardenverlust eingebrockt hat, musste er jedoch gehen, da er als Chef der Corporate- und Investmentbanking-Sparte der Vorgesetzte des Skandaltraders war.

Rüstungsspezialist

Der Verwaltungsrat von Atos habe der Ernennung Mustiers am Samstag einstimmig zugestimmt, genau wie der Berufung von Laurent Collet-Billon als stellvertretendem Verwaltungsratschef, erklärte der IT-Dienstleister nun. Collet-Billon (73) stand von 2008 bis 2017 an der Spitze der Direction Générale de l‘Armement (DGA), der französischen Rüstungsbeschaffungsbehörde. Er gehört dem Verwaltungsrat von Atos als unabhängiges Mitglied ebenfalls seit dem Frühjahr an. Seine Ernennung sei angesichts der politischen Sorgen um die Gruppe nicht harmlos, urteilt die Wirtschaftszeitung „Les Échos.“ Denn die Technologien von Atos seien für die nukleare Abschreckungsstrategie der französischen Armee unverzichtbar.

Bei Investoren kamen die neuen Personalien an, so dass die Atos-Aktie an der Börse von Paris am Montag zeitweise mehr als 20% zulegte und am Ende mit einem Plus von fast 6% bei 5,16 Euro schloss. Der IT-Dienstleister hat erst vor wenigen Tagen einen neuen Generaldirektor ernannt – den vierten innerhalb von vier Jahren. Der 55-jährige Yves Bernaert hat vor anderthalb Wochen mit sofortiger Wirkung das Ruder übernommen. Er war vorher bei Accenture Technology Europe.

Kleinaktionäre hatten bereits auf der Hauptversammlung von Atos im Juni versucht, den bisherigen Verwaltungsratschef Meunier abzusetzen. Sie kritisieren vor allem den geplanten Verkauf des unter dem Namen Tech Foundation firmierenden traditionellen Geschäfts von Atos an Kretinsky.

Kleinaktionäre klagen

Der von Hervé Vinciguerra kontrollierte Minderheitsaktionär Alix AM und CIAM, ein weiterer Minderheitsaktionär, haben im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf bei der auf Finanzdelikte spezialisierten Einheit der Staatsanwaltschaft Klage eingereicht.

Der umstrittene Verkauf von Tech Foundation an Kretinsky sei nun im zweiten Quartal 2024 geplant und nicht mehr wie bisher vor Ende dieses Jahres, teilte Atos jetzt mit. Als Grund gibt das Unternehmen Terminzwänge im Zusammenhang mit der Zustimmung von Behörden an.

Die von Kleinaktionären alarmierte Börsenaufsicht Autorité des marchés financiers (AMF) habe die Atos-Führung aufgefordert, einige Punkte hinsichtlich der finanziellen Bedingungen des Verkaufs an Kretinsky zu klarifizieren, berichtet „Le Monde“. Parallel zu der Übernahme der historischen Aktivitäten soll Kretinsky ins Kapital von Eviden einsteigen, der Sparte, die die Bereiche Cybersicherheit und Superrechner umfasst.  

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