Bundesfamilienministerin

Auf Spiegels Entschuldigung folgt der Rücktritt

So steil die politische Karriere von Anne Spiegel begonnen hat, so schnell ist sie nun vorbei. „Es war zu viel“, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntagabend mit belegter Stimme in Berlin. Keine 18 Stunden später stellte sie ihr Amt als Bundesfamilienministerin zur Verfügung.

Auf Spiegels Entschuldigung folgt der Rücktritt

dpa-afx

So steil die politische Karriere von Anne Spiegel begonnen hat, so schnell ist sie nun vorbei. „Es war zu viel“, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntagabend mit belegter Stimme in Berlin. Keine 18 Stunden später stellte sie ihr Amt als Bundesfamilienministerin zur Verfügung. Zum Verhängnis wurde ihr der Umgang mit der Flutkatastrophe im Ahrtal.

Zu viel: Damit meinte die 41-Jährige, dass sie Anfang 2021 zusätzlich zum Familien- und Integrationsministerium in Rheinland-Pfalz auch die nach einem Rücktritt freigewordene Spitze des Umweltministeriums im Land übernommen hatte. Und damit auch die Verantwortung für das Thema Hochwasserschutz, das ihr zuvor eher fremd war.

Die Rolle des Umweltministeriums in Mainz bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 wird vom Untersuchungsausschuss des Landtags bis ins Detail untersucht. Wurden die Pegeldaten rechtzeitig an die für den Katastrophenschutz zuständigen Landkreise übermittelt? Wie hat die Ministerin in der Nacht und in den Tagen danach reagiert, als die Katas­trophe in ihrem Ausmaß mit schließlich 135 Toten in Rheinland-Pfalz sichtbar wurde?

Am 11. März gab Spiegel Auskunft in Mainz, gezeichnet von einer gerade überstandenen Corona-Infektion und getroffen von heftigen Vorwürfen: Vorzeitig veröffentlichte Textnachrichten aus ihrem Austausch mit Mitarbeitern erweckten den Eindruck, dass sie damals vor allem auf ihr eigenes Image bedacht gewesen sein soll. Das sei absolut falsch, sagte sie dem Ausschuss.

Dass sie am 25. Juli, rund zehn Tage nach der Sturzflut, in den geplanten Familienurlaub nach Frankreich aufbrach, war damals noch nicht bekannt. „Das war ein Fehler, dass wir so lange in Urlaub gefahren sind, und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung“, sagte Spiegel am Sonntagabend. Sie habe sich dazu wegen großer Belastungen der Familie entschieden – nach einem Schlaganfall ihres Mannes im März 2019 und Spuren der Pandemie bei den vier Kindern.

Diese Entscheidung passt zu dem bekennenden Familienmenschen Spiegel. Die Pfälzerin wurde in Leimen in der Kurpfalz geboren und wuchs auf der anderen Rheinseite auf. Nach Abitur in Ludwigshafen und Studium in Mainz, Mannheim und der spanischen Stadt Salamanca arbeitete Spiegel zunächst an einer Sprachschule. Ihre politische Laufbahn begann 1999 im Landesvorstand der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz und führte im zweiten Anlauf 2011 in den Landtag.

Dort setzte sie sich gegen viele Widerstände für eine humanitäre Flüchtlingspolitik ein. Nachdem sie 2016 Integrationsministerin geworden war, nahmen die Bedrohungen so sehr zu, dass sie unter Polizeischutz gestellt wurde. „Ich lasse mich nicht einschüchtern“, sagte sie 2018. „Gegenwind macht mich eher kämpferisch.“

Danach wurde es ruhiger, die Ministerin konnte sich mehr der Familienpolitik widmen. Nach dem Rücktritt von Umweltministerin Ulrike Höfken überlegte Spiegel im November 2020 nur kurz, ob sie sich das wirklich zutrauen soll, bis zur Landtagswahl dieses Haus zusätzlich zu übernehmen. Auch damals kam sie auf ihre Kinder zu sprechen. Diese hätten gesagt: „Du bist Mutter von vier Kindern. Dann kannst du auch Chefin von zwei Ministerien sein.“

„Schlecht beraten“

Das Umweltministerium in Mainz bot sich als idealer Katalysator an, um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl mit dem grünen Kernthema Kampf gegen die Klimakrise zu verbinden. Das Ergebnis im März 2021 blieb mit 9,3% nur einstellig. Aber die Grünen überholten die FDP in der schon 2016 gebildeten rheinland-pfälzischen Ampel-Koalition. Spiegel hatte danach die freie Wahl. Sie entschied sich für das größere Umweltministerium, das als Klimaschutzministerium mit zwei Staatssekretären neu aufgestellt wurde.

„Sie war schlecht beraten“, sagte am Montag eine langjährige Wegbegleiterin im Landesverband der Grünen. „Sie hätte bei ihren Herzensthemen bleiben sollen.“ Offiziell ist viel von Respekt die Rede. Der Landesverband erklärt, Spiegel habe die Grünen über zwölf Jahre hinweg geprägt.