Regierungspartei wählt neuen Vorsitzenden

„Außenseiter“ Ishiba wird Japans Premier

Der „konservative Liberale" Shigeru Ishiba tritt die Nachfolge von Japans scheidendem Regierungschef Fumio Kishida an. Fiskal- und Geldpolitik gehören nicht zu seinen Kernkompetenzen.

„Außenseiter“ Ishiba wird Japans Premier

Außenseiter Ishiba wird Japans Premier

mf Tokio

Die Liberaldemokratische Partei (LDP), die Japan seit rund 70 Jahren fast ununterbrochen regiert, hat den früheren Verteidigungsminister Shigeru Ishiba zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Am Dienstag folgt seine Wahl zum Premierminister durch das Unterhaus, in dem die LDP die Mehrheit besitzt. Der 67-jährige Parteiveteran, der sich selbst als „konservativen Liberalen“ bezeichnet, setzte sich überraschend und nur knapp gegen die 63-jährige national-konservative Ministerin für Wirtschaftssicherheit, Sanae Takaichi, durch. Der amtierende Premier Fumio Kishida verzichtete wegen eines Parteispendenskandals auf seine Kandidatur und verliert damit automatisch sein Regierungsamt.

Fortsetzung der Wirtschaftspolitik

Die japanische Währung Yen machte nach dem überraschenden Sieg von Ishiba einen kräftigen Satz nach oben, der Nikkei 225 kletterte auf den höchsten Stand seit über zwei Monaten. Denn einerseits steht Ishiba für eine Fortsetzung der wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik eines „neuen Kapitalismus“ von Kishida und für beschleunigte Strukturreformen, andererseits unterstützt er die Normalisierung der Geldpolitik durch Zinserhöhungen in kleinen Schritten. Ansonsten gehören die Fiskal- und Geldpolitik nicht zu seinen Kernkompetenzen, vielmehr lagen seine Schwerpunkte auf der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und der Revitalisierung des ländlichen Raums.

Ishiba hatte sich in der Vergangenheit durch seine scharfe Kritik an der offen nationalistischen Politik des langjährigen Premiers Shinzo Abe ins Abseits seiner Partei manövriert. Seine Wahl wird als Bruch mit diesem Politikstil interpretiert, der die Partei auch nach der Ermordung von Abe vor zwei Jahren dominierte. In seiner Autobiografie „Konservativer Politiker: Meine Politik, mein Schicksal“ beschreibt er sich als „Idealisten“, der nicht nach Macht und Reichtum für die Nation streben, sondern mit seinen Lösungen Japan verbessern will. Er lehnt die verstärkte Rückkehr zur Atomkraft ab, will gleichgeschlechtliche Ehen erlauben und verheirateten Paaren gestatten, getrennte Nachnamen zu verwenden. Diese Änderungen hatte der rechtskonservative Flügel bisher blockiert.

„Meine letzte Schlacht“

Bei seinem fünften Anlauf, Partei- und Regierungschef zu werden, seiner „letzten Schlacht“, hob die Mehrheit der LDP ihn dennoch auf den Schild, weil sich die Abgeordneten von Ishibas liberalen und moderaten Positionen größere Erfolgschancen bei der bevorstehenden Parlamentswahl gegen die wiedererstarkte Opposition unter der neuen Führung von Ex-Premier Yoshihiko Noda versprechen. Auch wegen seiner Prinzipientreue achten viele Wähler Ishiba als einen „ehrlichen“ und volksnahen Politiker. Er kündigte inzwischen an, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Ein überzeugender Wahlsieg soll ihm helfen, die tief gespaltene Regierungspartei für seinen Schwenk in die politische Mitte zu einen.

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