Wirecard-Folgen

BaFin inmitten von Personalspekulationen

Nach der Nachricht von der Ablösung von BaFin-Präsident Felix Hufeld machen Spekulationen über die Nachfolgeregelung die Runde. Von Reuters zitierte Branchenexperten nannten am Montag die Lei­te­rin der Finanzmarktabteilung im...

BaFin inmitten von Personalspekulationen

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Nach der Nachricht von der Ablösung von BaFin-Präsident Felix Hufeld machen Spekulationen über die Nachfolgeregelung die Runde. Von Reuters zitierte Branchenexperten nannten am Montag die Lei­te­rin der Finanzmarktabteilung im Bundesfinanzministerium, Eva Wimmer, und den Finanzchef der Deutschen Bahn, Levin Holle, als mögliche Kandidaten. In den Kommentarspalten der „Financial Times“ ist auch der Name des letzten Wirecard-Chefs James Freis, der die Leitung des Zahlungsdienstleisters übernommen hatte, unmittelbar nachdem der Bilanzbetrug aufgeflogen war, ins Spiel gebracht worden.

Noch ist es freilich nicht so weit. Schaltet das Bundesfinanzministerium wie schon vor den Berufungen von Hufeld und dessen Vorgängerin Elke König für die Nachfolgeregelung einen Headhunter ein, dürfte sich das Prozedere noch ziehen. Florian Toncar, Vize der FDP-Fraktion im Bundestag, fordert laut dpa gar ein gründliches weltweites Auswahlverfahren. Hufeld, dessen Vertrag bis 2023 läuft, wird ohnehin bis Ende März im Haus bleiben.

Auch über eine interne Lösung wird spekuliert. Aus dem Kreise des fünfköpfigen Exekutivdirektoriums wird etwa Thorsten Poetzsch, zuständig für Bankenabwicklung, unerlaubte Geschäfte und Geldwäsche, der nötige Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein nachgesagt, ein höheres Amt anzustreben. Dieses könnte Poetzsch bald allerdings auch auf EU-Ebene bekleiden. Die Pläne der Kommission, die Geldwäscheprävention der EU-Mitgliedstaaten zu bündeln, laufen neuerdings gemäß der Empfehlung einer Expertengruppe der EU-Kommission auf den Aufbau einer separaten Behörde hinaus (vgl. BZ vom 28. Januar). Eine Ansiedlung bei der European Banking Authority (EBA) wäre damit kein Thema mehr. Fraglich scheint aber, ob eine interne Nachfolge überhaupt in Frage kommt, nachdem das Bundesfinanzministerium einen „personellen Neustart“ an der BaFin-Spitze angekündigt hat. Für denkbar halten es Beobachter dessen ungeachtet auch, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dem von seinem christdemokratischen Vorgänger Wolfgang Schäuble auserkorenen Hufeld einen Sozialdemokraten folgen lassen will.

Damit könnte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies ins Spiel kommen, dessen politische Zukunft in Berlin so ungewiss ist wie das Ergebnis der Bundestagswahl Ende September. Was einen Neuanfang angeht, wäre dies fraglos die problematischste Variante, sitzt Kukies doch dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor und ist zudem gerade im Fall Wirecard wegen seiner Kontakte zu Markus Braun, dem Ex-Chef des zusammengebrochenen Dax-Konzerns, seinerseits ins Gerede gekommen.

Parallel zur Nachfolge von BaFin-Präsident Hufeld ist auch jene für Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele zu regeln, deren Abschied ebenfalls am Freitag bekannt geworden war und in deren Bereich Wertpapieraufsicht 2019 das Verbot von Leerverkäufen für Wirecard-Aktien sowie die Anzeige gegen Journalisten der „Financial Times“ wegen Marktmanipulation gefallen war.

Scholz präsentiert Resultate

Am heutigen Dienstag bereits will Finanzminister Scholz wie am Freitag vergangener Woche angekündigt Ergebnisse einer im Herbst ini­tiierten Untersuchung zu einer Reorganisation der BaFin vorlegen. Im Großen und Ganzen dürften die Schlussfolgerungen Überlegungen entsprechen, welche in Grundzügen bereits vor Monaten durchgesickert waren. So dürfte die BaFin, auch angesichts zerfallender Wertschöpfungsketten im Bankensektor, eine neue Abteilung für finanznahe Finanzdienstleister einrichten, die, ähnlich Wirecard, nicht dem Schema herkömmlicher, mit Vollbanklizenz ausgestatteter Kreditinstitute entsprechen.

Zudem soll sie jenseits der privatrechtlich organisierten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) einen eigenen Stamm an Mitarbeitern für zügige Vor-Ort-Prüfungen von Bilanzen in eigener Regie aufbauen. Im Gespräch dürfte dabei eine Art schnelle Eingreiftruppe mit zehn bis 20 Beschäftigten sein. Die Forderung nach einer Befähigung der BaFin zu forensischen Bilanzprüfungen erhebt die politische Opposition in Berlin, etwa die Fraktion Die Linke, schon seit längerem, und zwar nicht ohne Grund. Die Kapazitäten der BaFin sind in dieser Hinsicht in der Tat ausbaufähig. Für solche Aufgaben stehen der BaFin dem Vernehmen nach derzeit rund zehn Leute und ein Etat von 8 Mill. Euro zur Verfügung, der größtenteils in die Finanzierung der DPR fließt. Für Vor-Ort-Prüfungen greifen die Aufseher in der Regel auf eine der großen Prüfgesellschaften zurück. Allein die Sonderprüfung der Bilanz von Wirecard durch KPMG im vergangenen Jahr dürfte rund 40 Mill. Euro verschlungen haben, wie im Markt geschätzt wird.

Verstärktes Augenmerk

Im Gespräch ist zudem in der Individualaufsicht über Banken eine weitere Abteilung, mit zwei kleinen oder mit einem größeren Referat, die sich verstärkt um Häuser kümmert, welche zwar verstärktes Augenmerk verdienen, aber noch nicht in die Zuständigkeit der Abteilung Restrukturierung/Systemaufsicht fallen. Auf diese Weise sollen potenzielle Problemfälle früher in den Fokus der BaFin rücken.

Nicht zuletzt will das Ministerium die Position des Präsidenten stärken und ihn im Falle von Pattsituationen im sechsköpfigen Direktorium zum Zünglein an der Waage erklären. Der Einwand, dies könne die Unabhängigkeit der ebenfalls in der BaFin untergebrachten Bankenabwickler gefährden, die unabhängig von der Bankenaufsicht operieren sollen, wird bei Juristen mit Verweis auf entsprechende Rechtssprechung und Fachliteratur entkräftet. Problematisch wäre es demnach allein, diesen Bereich operativ unter der Ägide der Bankenaufsicht aufzuhängen. Kurioserweise wäre diese Neuerung die Abkehr von einer Reform, welche in der BaFin im Zuge eines früheren Skandals eingeführt worden war, wie es bei Beobachtern heißt. Denn nachdem der ehemalige IT-Leiter der Bundesanstalt mit Hilfe fingierter Rechnungen eine sechsstellige Summe hatte veruntreuen können, hatte sich der damalige BaFin-Präsident Jochen Sanio vor Jahren zwar im Amt halten können. Mit Einführung des Kollegialitätsprinzips an der Spitze der BaFin aber hatte man seine Macht beschnitten.

Nachtragshaushalt steht an

Werden all diese Pläne Realität, so ist schon jetzt absehbar, dass die Kosten der von den Banken finanzierten BaFin weiter steigen werden. Schließlich kommt auf die Behörde wie schon vor Jahren beim Aufbau eines Grundsatzreferats IT-Infrastruktur die Aufgabe zu, Spezialisten anzuwerben, die sich mit einer Vergütung nach Angestellten-Tarif kaum zufrieden geben dürften. Bei Beobachtern wurde schon vor Monaten prophezeit, dass die Neuerungen einen Nachtragshaushalt für die BaFin erfordern werden. Dabei sieht schon das im Dezember verabschiedete Budget für 2021 gegenüber 2020 einen Anstieg um nicht weniger als 13% auf 493 Mill. Euro vor ­– das ist mehr als das Doppelte des Jahres 2015. Zuletzt trieben der Brexit und neue Aufgaben etwa im Anlegerschutz die Kosten – demnächst wohl die Reorganisation der BaFin.