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Batterien für Millionen

Von Isabel Gomez, Stuttgart Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Ein bisschen erschrocken im positiven Sinne sind sie bei Varta am Dienstagmorgen schon. Nicht nur die Nachricht, dass der Batteriehersteller aus Ellwangen zum zweiten Mal binnen vier Monaten...

Batterien für Millionen

Von Isabel Gomez, StuttgartEin bisschen erschrocken im positiven Sinne sind sie bei Varta am Dienstagmorgen schon. Nicht nur die Nachricht, dass der Batteriehersteller aus Ellwangen zum zweiten Mal binnen vier Monaten ankündigt, seine Produktionskapazitäten wegen der hohen Nachfrage für 130 Mill. Euro auszuweiten, trieb den Börsenkurs prozentual zweistellig nach oben. Dabei half auch eine Studie der Commerzbank, die dem Papier nochmal 20 Euro Kurspotenzial unterstellt und zu dem Schluss kommt, dass Varta ihre ebenfalls bereits zweimal angehobene Jahresprognose wohl übertreffen werde. Seit fast 30 Jahren dabeiSeit Vorstandschef Herbert Schein (54) Varta im Oktober 2017 wieder an die Börse führte, jagt ein Rekord den nächsten. Umsatz und Ergebnis steigen und parallel kletterte der Börsenwert auf nunmehr 3,5 Mrd. Euro. Schein ist seit fast 30 Jahren für Varta tätig und hat entsprechenden Anteil an diesem Erfolg. Er erlebte die schlechten Zeiten mit Verlusten Anfang der neunziger Jahre, die anschließende Aufspaltung und die Übernahme des verbliebenen Geschäfts mit Mikrobatterien durch die Beteiligungsgesellschaft Global Equity Partners des österreichischen Unternehmers Michael Tojner. Für Tojner ist er daher – natürlich – voll des Lobes.Schein kann stundenlang über Batterien und ihre Anwendung reden oder seine Produktion mit eigener Werkzeugfertigung vor Ort erklären. Er schiebt dann schnell ein, dass Varta-Batterien schon in der Kamera steckten, mit der Neil Armstrong den Mond fotografierte. Oder dass “seine” Batteriepacks auf der Raumstation ISS waren und dort in Geräten zur Messung der Muskelspannung von Astronauten eingesetzt wurden.Der dreifache Vater ist dem 1887 als Accumulatoren-Fabrik gegründeten Unternehmen merklich verbunden. Das erklärt auch seine Freude darüber, dass künftig wieder zwei Varta-Marken unter einem Dach sitzen. Anfang des Jahres beschloss er, das Geschäft mit Haushaltsbatterien vom US-Konzern Energizer zurückzukaufen. Rund 100 Mill. Euro waren Schein Varta Consumer Batteries wert, “um zusammenzuführen, was zusammengehört” (vgl. BZ vom 31. Mai). Er will aus dem Traditionsunternehmen einen internationalen Player formen. 50 % Marktanteil bei den kleinen Lithium-Ionen-Batterien, vor allem für kabellose Kopfhörer, sind bis 2020 das Ziel. Überzeugter IngenieurSchein, geboren im bayrischen Oettingen, ist Ingenieur für Elektrotechnik. Er beschäftigt sich weniger gerne mit Lieferkettenoptimierung, als mit der technologischen Weiterentwicklung der Produkte. Dutzende Forschungsprojekte hat Varta unter ihm angestoßen, um künftig auch größere Batterien fertigen zu können. Zum einen, um sie in die eigenen Energiespeicher einbauen zu können, die bisher mit Zellen aus Asien bestückt werden. Zum anderen für die E-Mobilität.Mit Volkswagen testete Varta schon vor Jahren eine Pilotlinie für die Zellproduktion für E-Autos. Automatisierte Fertigungsverfahren, davon ist Schein überzeugt, können dafür sorgen, dass sich diese Produktion auch am Hochlohnstandort Deutschland lohnt. Daher sind auch Varta und Schein ein Grund, warum sich die baden-württembergische Politik lautstark beschwerte, als Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) die mit 500 Mill. Euro öffentlich geförderte Forschungsfabrik für Batteriezellen nach Münster, statt Ulm oder Karlsruhe vergab.1991 kam Schein, der seine Laufbahn nach dem Studium bei Siemens begann, zu Varta in die Anwendungstechnik und das Qualitätsmanagement. Er war internationaler Produktmanager, weltweiter Marketingmanager und baute die Einheit für Hörgerätebatterien auf, bevor er 2007 in die Geschäftsleitung der Varta Microbattery berufen wurde, der er seit 2008 vorsitzt. 2011 kam die Verantwortung für das Speichergeschäft der Varta Storage hinzu.