Bayerns Genos tauschen ihren Cheflobbyisten aus
Von Stefan Kroneck, München
Paukenschlag bei den bayerischen Kreditgenossen kurz vor Weihnachten. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat seinen Cheflobbyisten ausgewechselt. Zu Wochenbeginn teilte die Interessenvertretung des Sektors mit Sitz in München mit, dass Jürgen Gros (52) sein Amt als Vorstandsmitglied „im beiderseitigen Einvernehmen mit Wirkung zum 31.12.2021“ niedergelegt habe. Der zweite Vorstand Alexander Büchel (51) geht ebenfalls. Dieser verlässt den GVB „im beiderseitigen besten Einvernehmen mit Wirkung zum 31.01.2022“.
Der Verbandsrat unter Leitung von Wolfgang Altmüller entschied sich für eine Zwischenlösung an der GVB-Spitze. Das Gremium ernannte Gregor Scheller zum neuen Vorstandsvorsitzenden und Präsidenten. Der 64-Jährige ist Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Bamberg-Forchheim. Büchels Nachfolge tritt Siegfried Drexl an. Der 62-jährige Wirtschaftsprüfer ist seit langem für den genossenschaftlichen Prüfungsverband tätig. „Im neuen Jahr wird sich der Verbandsrat intensiv mit der langfristigen Besetzung des Vorstands befassen“, teilte der GVB mit.
Der Abschied erfolgt in einem Dissens. „Grund für die einvernehmliche Trennung sind unterschiedliche Vorstellungen über die künftige Ausrichtung des Verbandes“, so der GVB. Der Verbandsrat ließ Gros vorzeitig gehen. Der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden wäre noch bis 2024 gelaufen. An diesen Posten schließt sich das Ehrenamt des Präsidenten an. Ein Verbandssprecher wollte sich auf Nachfrage zu den Gründen der Trennung nicht näher äußern.
In Disharmonie mit BVR
Dem Sturz von Gros ging augenscheinlich ein Machtkampf voraus. Altmüller, zugleich Vorstandsvorsitzender der Meine Volksbank Raiffeisenbank mit Sitz in Rosenheim, war angeblich mit der Arbeit der GVB-Spitze unzufrieden. Gros sorgte zuletzt für Schlagzeilen, als er gegen die N26 zu Felde zog. Er forderte die Finanzaufsicht BaFin und den neuen Behördenchef Mark Branson auf, die Berliner Online-Bank stärker zu kontrollieren. In einem Zweckbündnis mit Bayerns Sparkassen warnte er im Oktober nach der Bundestagswahl die sich seinerzeit abzeichnende Berliner Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP davor, die EU-Einlagen- und Institutssicherungssysteme im Rahmen der Bankenunion aufzuweichen (vgl. BZ vom 18. Oktober). Über die Art und Weise solcher Auftritte in der Öffentlichkeit kann man geteilter Meinung sein, allerdings gehört das zu den Kernaufgaben von Interessenvertretern eines Verbands, der sich traditionell vor allem im heterogenen Verbund der bundesdeutschen Kreditgenossen Gehör verschafft.
Hier steckt aber des Pudels Kern. Gros eckte zunehmend mit seinem Vorpreschen beim Dachverband BVR in Berlin an. Offenbar herrschte zwischen den Lobbyisten in der Bundeshauptstadt und denen in der bayerischen Landeshauptstadt Uneinigkeit über Inhalte und deren Gewichtung in der Öffentlichkeit. Dem Vernehmen nach sah sich Gros zuletzt zunehmend Störfeuern von BVR-Chefin Marija Kolak ausgesetzt. Der GVB-Chef meinte, Kolak sei in ihrer Arbeit zu defensiv. Diese Disharmonie konnte Altmüller nicht gefallen haben. Hinzu kommt, dass der Vorstandschef der größten Primärbank im Geno-Finanzverbund des Freistaats offenbar „sein“ Institut nicht mehr gut im GVB vertreten sah. Gros wurde in Rosenheim zunehmend als Sprecher der kleinen Primärhäuser im bayerischen Verbund wahrgenommen. Altmüller formte in den vergangenen Jahren ein Institut, das mittlerweile auf eine Bilanzsumme von 10 Mrd. Euro kommt. Die insgesamt 222 bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken sind im GVB, der auch Warengenossen repräsentiert, federführend. Gros habe „die ihm anvertrauten Aufgaben verantwortungsvoll und mit Umsicht, Tatkraft und hohem Engagement ausgeübt“, so der Verbandsrat.
Der promovierte Politologe war fünfeinhalb Jahre Vorstandsvorsitzender und Präsident des GVB. Für den Verband war der aus Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) stammende Christdemokrat insgesamt 16 Jahre tätig. Seine Karriere startete er beim GVB als Leiter der Kommunikation und des Vorstandsstabs unter seinem damaligen Amtsvorgänger Stephan Götzl. Nach dessen Sturz 2015 – Götzl stolperte über eine Dienstreisenaffäre – übernahm Gros schrittweise die Aufgabe: zunächst in einer Doppelspitze mit Büchel, seit August 2016 führte er den GVB allein.