Cevian-Partner Lars Förberg

Bekenntnisse eines Aktionärsaktivisten

Ein Interview mit Cevian-Partner und ABB-Verwaltungsrat Lars Förberg vermittelt tiefere Einblicke in die verschwiegene Welt der Renditejäger.

Bekenntnisse eines Aktionärsaktivisten

Erkenntnisse und Bekenntnisse eines Aktionärs-Aktivisten

Ein Interview mit Cevian-Partner und ABB-Verwaltungsrat Lars Förberg vermittelt tiefere Einblicke in die verschwiegene Welt der Renditejäger.

Von Daniel Zulauf, Zürich

"Ich fühle mich wie ein fünfjähriger Junge, der barfuß über eine Sommerwiese läuft", beschreibt Lars Förberg im Gespräch mit der Finanzzeitung "Dagens Industri" seinen aktuellen Gemütszustand. Das Selbstbild wirkt etwas eigenartig für einen 58-jährigen Mann, der es als knallhart rechnender und ebenso hart agierender Investor zum Milliardär gebracht hat.

Förberg ist so etwas wie die schwedische Ausgabe von Martin Ebner – oder vielleicht eher so etwas wie dessen Nachfolger. Während der finanzielle Abstieg des einstigen Schweizer Manager-Schrecks und Firmenjägers vor über 20 Jahren im Zuge des Börsenkrachs und des Terroranschlags auf das New Yorker World Trade Center so richtig Fahrt aufnahm, stand die von Lars Förberg und dessen Partner Christer Gardell gegründete Investmentfirma Cevian gerade am Anfang ihres Aufstiegs.

Objekt der Begierde war sowohl für Martin Ebner wie auch für Förbergs Cevian der Elektrotechnikkonzern ABB. Das 1988 aus der Fusion der schwedischen Asea mit der schweizerischen BBC hervorgegangene Unternehmen war nach einer 20-jährigen Ära mit schwedischen Chefs wie Percy Banevik, Göran Lindahl oder Jürgen Centerman in eine existenzielle Krise geschlittert. Ebners hoch verschuldete BZ Gruppe war gezwungen, ihre ABB-Beteiligung in Höhe von fast 10 Prozent zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt zu verkaufen.

Förberg und Gardell ihrerseits hatten ABB bereits ins Visier genommen. Förberg sagte dem Finanzmedium "Themarket.ch" 2019 in seinem bis zum vergangenen Wochenende einzigen Interview, ABB sei der erste Konzern überhaupt gewesen, den Cevian nach ihrer Gründung im Jahr 2002 als mögliches Investment analysiert habe. "Wir arbeiteten mehr als dreizehn Jahre daran, bevor wir die Aktien kauften."

Treffender als "Arbeiten" wäre für Investoren wie Förberg und Gardell vermutlich das Verb "Abwarten". Cevian liess ABB die Probleme selbst lösen, vermied so die größten Risiken und wagte den Einstieg erst, als der Aktienkurs Jahre nach dem heftigen Einbruch in der Finanzkrise noch immer nicht auf den alten Hochständen zurück war.

Als Cevian 2015 zugriff, blieb in dem Konzern bald kein Stein mehr auf dem anderen. Im Tandem mit der schwedischen Industriellenfamilie und ABB-Grossaktionärin Wallenberg (10,03%) sorgten die Skandinavier zunächst dafür, dass ABB das traditionsreiche Geschäft mit der Stromübertragung an Hitachi veräußerte, um alsbald mit der Wahl von Björn Rosengren die 17-jährige Abwesenheit schwedischer CEOs zu beenden. Schon drei Jahre zuvor erreichten Cevian und die Wallenbergs, dass Förberg als scharfer Kritiker des damaligen CEO Ulrich Spiesshofer in den ABB-Verwaltungsrat gewählt wurde.

Ganz im Stil von Martin Ebner, der es in seinen besten Zeiten sehr gut verstanden hatte, in der einschlägigen Finanzpresse Wind für seine Investments zu machen, operiert auch Cevian. Frühzeitig und medienwirksam nannten Gardell und Förberg ein Kursziel für die ABB-Aktie von 35 sfr. Als dieses 2022, sieben Jahre später, tatsächlich erreicht war legten sie mit 50 sfr sogleich ein neues Kursziel fest. Nicht an die große Glocke hängten die Schweden freilich die Tatsache, dass sie zu jenem Zeitpunkt bereits dabei waren, ihre ABB-Aktien wieder zu verkaufen. Erst Anfang August, als die Beteiligung unter die meldepflichtige Marke von 3% zurückglitt, erfolgte die Bestätigung.

Mit einem investierten Vermögen von rund 150 Mrd. skr oder umgerechnet etwa 12 Mrd. sfr gilt Cevian als Europas größter Aktivistenfonds. Aktionärsaktivisten versuchen definitionsgemäß Einfluss auf die Strategie der Unternehmen zu nehmen, in die sie investieren. Mit dem Ziel vor Augen, einen höheren Aktienkurs zu erreichen, mobilisieren diese Investoren gezielt die breite Masse der Trittbrettfahrer an der Börse. Methoden zur Stärkung der eigenen Glaubwürdigkeit sind einerseits öffentliche Diskreditierung von Widersachern und die ostentative Darstellung der eigenen Überlegenheit. Förberg sagt: "Wir haben ein Investmentmodell gebaut, das es uns erlaubt, die Firmen besser zu verstehen als die allermeisten." Überprüfen lässt sich seine Behauptung nicht.

Dafür lässt sich die Investmentfirma von ihren Kunden fürstlich entschädigen. Pensionskassen und andere institutionelle Investoren zahlen 1,5% auf das Vermögen, das sie von Cevian verwalten lassen. Das sind rund 180 Mill. sfr pro Jahr. Darüber hinaus würden bis zu 20% der erzielten Anlagegewinne bei Cevian einbehalten. Förbergs und Gardells Vermögen wird in Schweden auf je rund 1,2 Mrd. sfr geschätzt. Es sei wichtig, sich nicht vom Virus des Reichseins anstecken zu lassen, sagt Förberg. "Wer Geld hat, denkt weniger darüber nach, wie er dieses ausgeben könnte, als wie er seine Zeit verbringen sollte. Das ist relevanter. Es ist nicht das Geld, das regiert."

"Mir ist es egal, was andere hinter meinem Rücken über mich sagen. Menschen können reden – ich glaube an Karma", stellt Förberg klar. Er spricht über seine Homosexualität, die er nach 30 Jahren Ehe und als Vater von zwei erwachsenen Kindern entdeckt oder vielleicht eher zugelassen habe. Die Erfahrung habe viele Fragen in ihm aufgeworfen: "Wer bin ich? Was denke ich? Warum fühle ich mich so? Bin ich schon einmal ich selbst gewesen? Ich dachte, ich wäre es gewesen, aber ich wunderte mich trotzdem."

Er sei derselbe Mensch geblieben wie zuvor. "Ich habe mich nicht verändert, nur weil ich schwul bin", sagt Förberg über sich selbst, und offensichtlich ist es sein Wunsch, dass das auch alle anderen wissen. Das ist nicht unwichtig für einen Menschen, der den Anspruch hat, große Unternehmen umzugestalten und das Schicksal von Tausenden von Beschäftigten mitzubestimmen. Förber sagt: "Menschen zu lesen ist eine unserer Kernkompetenzen. Wir verbringen viel Zeit damit, Vertrauen aufzubauen." Er müsse Führungspersönlichkeiten in andere (die von ihm gewünschte) Richtung bewegen können. Unter ihnen gäbe es Narzissten, Alphatiere, die ganz von sich selbst eingenommen seien. In solchen Momenten dürfte der kleine Junge auf der Sommerwiese eine andere Persönlichkeit sein. Man wüsste gern welche.