Volkswagen

Betriebsratschef Osterloh wechselt die Seite

Der seit 2005 amtierende Vorsitzende des Konzernbetriebsrats von Volkswagen, Bernd Osterloh, übernimmt zum 1. Mai 2021 die Aufgaben des Personalvorstands bei Traton. Seine Nachfolgerin wird Daniela Cavallo.

Betriebsratschef Osterloh wechselt die Seite

Von Carsten Steevens, Hamburg

Der seit 2005 amtierende Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats von Volkswagen, Bernd Osterloh, wechselt für viel Geld die Seite und übernimmt zum 1. Mai 2021 die Aufgaben des Personalvorstands bei der konzerneigenen Nutzfahrzeugholding Traton. Wie der Betriebsrat am Freitag mitteilte, wird mit Daniela Cavallo, seit Anfang 2019 Stellvertreterin des 64 Jahre alten Osterloh, erstmals eine Frau an die Spitze der Arbeitnehmervertretung von Volkswagen rücken.

Die aus Wolfsburg stammende Italienerin, die im Jahr 1994 nach dem Abitur für eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation zu dem Autobauer kam und sich später berufsbegleitend zur Betriebswirtin fortbildete, soll den Angaben zufolge „so schnell wie möglich“ auch Osterlohs Mandat im Aufsichtsrat und im Aufsichtsratspräsidium von Volkswagen übernehmen. Nötige Schritte für die Bestellung der 46-Jährigen über das Registergericht seien bereits eingeleitet. Im kommenden Jahr soll Cavallo die IG-Metall-Liste zur Aufsichtsratswahl als Spitzenkandidatin der Belegschaft anführen.

Die Ankündigung des Wechsels von Osterloh zur in München ansässigen Nutzfahrzeugholding Traton, bei der die Position des Personalvorstands mit Verantwortung für rund 82000 Beschäftigte seit dem Umbau der Führungsebene im Sommer vergangenen Jahres vakant war, zog eine Reihe von Stellungnahmen nach sich. Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess, mit dem sich Osterloh in den vergangenen Jahren Machtspiele und zum Teil auch öffentlich Auseinandersetzungen über den Umstieg des Zwölfmarkenunternehmens auf Zukunftstechnologien und dafür erforderliche Umbau- und Sparmaßnahmen geliefert hatte, ließ sich mit den Worten zitieren, Osterloh habe das Management „kon­struktiv hinterfragt und damit immer wieder geholfen, am Unternehmensinteresse orientierte Lösungen zu finden“.

Rückenwind für Diess?

Das Ende der Ära Osterloh als einflussreicher und streitbarer Betriebsratschef und Aufsichtsrat könnte die Machtverhältnisse in Wolfsburg zugunsten des Managements verschieben. Mit Osterloh, der als Traton-Vorstand einen mit 2 Mill. Euro dotierten Dreijahresvertrag erhalten haben soll, rücke der direkteste Gegenspieler von Konzernchef Diess zur Seite, so Bernstein-Analyst Arndt Ellinghorst. Durch die vom Traton-Aufsichtsrat am Freitag beschlossene Bestellung des gebürtigen Braunschweigers zum Personalvorstand ergebe sich die Möglichkeit, VW „auf rationalere Art und Weise“ zu führen. Auch unterstütze der Wechsel Osterlohs Ambitionen von Diess für eine Verlängerung des Vertrags als VW-Vorstandsvorsitzender über 2023 hinaus. Der Wechsel sorge ferner für Fragen, etwa mit Blick auf die – am Landgericht Braunschweig zugelassene – Anklage gegen zwei ehemalige Vorstandsmitglieder sowie einen ehemaligen und einen aktuellen Personalmanager von VW, bei der es um den Vorwurf geht, gegen Gesetzesbestimmungen verstoßen und mehreren Betriebsratsmitgliedern, da­run­ter Osterloh, überhöhte Gehälter und Boni gewährt zu haben.

Von diesen Punkten war in Reaktionen von Betriebs- und Aufsichtsratsmitgliedern am Freitag keine Rede. Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender von VW und Traton, dankte Osterloh für die geleistete Arbeit im VW-Kontrollgremium und betonte, Osterloh habe in den vergangenen rund 16 Jahren maßgeblichen Anteil daran gehabt, den Konzern zukunftsfähig aufzustellen. Er habe wichtige strategische Schritte zur Weiterentwicklung des Konzerns und bei der Transformation mitgetragen und mit vorangetrieben. Ihn zeichneten neben großen Kompetenzen im Personalbereich vor allem unternehmerischer Gestaltungswille und Durchsetzungsstärke aus.

Erwartungen der Familien

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), für das mit 20% an VW beteiligte Bundesland Mitglied im Aufsichtsrat, sagte, Osterloh sei „ein guter Betriebsratsvorsitzender“ gewesen. Er habe die Belegschaft „durch schwierige Zeiten mit großem Engagement und einem klaren Kompass begleitet“ und immer wieder viel für die Beschäftigten erstritten. Die Sprecher der die Stimmrechtsmehrheit haltenden Eigentümerfamilien, Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch, erklärten, es verstehe sich „von selbst, dass wir als Anteilseigner im Aufsichtsrat von Volkswagen bei bestimmten Themen andere Schwerpunkte setzten als Herr Osterloh als Betriebsratsvorsitzender“. Es stehe aber außer Frage, dass er aufgrund seines unternehmerischen Geschicks und seiner hohen fachlichen Kompetenz für die Position des Traton-Personalvorstands qualifiziert sei. „Wir erwarten deshalb von ihm, dass er einen entscheidenden Beitrag bei der laufenden Restrukturierung im Traton-Konzern leisten wird.“

Mit seiner Erfahrung im Umbau und der Fähigkeit, Menschen mitzunehmen, könne Osterloh als Personalvorstand einen wichtigen Beitrag leisten, sei es bei MAN oder der Integration des US-Nutzfahrzeugherstellers Navistar, meinte VW-Vorstandschef Diess. Traton- und MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris erklärte, die Übernahme der Aufgaben als Personalvorstand sei ein guter Schritt für die Beschäftigten und für das Unternehmen.

Osterloh selbst, der nach der Ausbildung zum Industriekaufmann 1977 zu VW gekommen und 1982 gewählter Belegschaftsvertreter ge­worden war, sagte, er wolle „noch einmal unternehmerisch gestalten“ und in den nächsten Jahren zur Umsetzung der „Global Champion“-Strategie von Traton beitragen. Bei den Überlegungen für einen Wechsel habe eine Rolle gespielt, dass ihm die Unternehmensseite den Vorstandsposten angeboten habe.

Über seine Nachfolgerin an der Spitze der VW-Arbeitnehmervertreter sagte Osterloh, Cavallo sei „führungsstark, empathisch und so strategisch denkend, dass sich viele noch wundern werden“. Dem Betriebsrat gehört sie seit 2002 an.