Betrüger Bernard Madoff gestorben
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Im vergangenen Sommer lehnte ein Richter Bernard Madoffs Gnadengesuch ab. Da hatte der New Yorker Anlageberater gerade 12 der 150 Jahre Haft abgesessen, zu denen er verurteilt worden war. Gestern nun ist Madoff, Drahtzieher des wohl größten Schneeballsystems aller Zeiten, im Alter von 82 Jahren gestorben. Allein, in einem Gefängnis-Krankenhaus im US-Bundesstaat North Carolina.
Seit den neunziger Jahren hatte er viele Tausend Investoren mit dem Versprechen angelockt, ihnen atemberaubende Renditen zu liefern. In Wirklichkeit zahlte er bestehende Anleger mit dem Geld neuer Investoren aus. Ein Schneeballsystem von beispiellosem Ausmaß. Am Ende summierte sich der Schaden, den er mit seinen fingierten Finanzanlagen anrichtete, auf rund 65 Mrd. Dollar. Doch lange Zeit war Madoffs Ruf, stetige Renditen in steigenden genauso wie in fallenden Märkten zu liefern, so gut, dass er sogar Interessenten abweisen musste.
Erst im Dezember 2008 kollabierte Madoffs Betrugssystem, als viele seiner Kunden angesichts massiv fallender Börsenkurse versuchten, bei Madoff mehr Geld abzuziehen, als er zurückzahlen konnte. Seine Söhne Andrew und Mark meldeten ihn schließlich beim FBI. „Das Geld ist weg“, zitierte Andrew Madoff seinen Vater. „Es war alles eine große Lüge.“
Am 11. Dezember 2008, einen Tag nach der Weihnachtsfeier seiner Firma, wurde Madoff verhaftet. Die US-Börsenaufsicht SEC war ihm trotz Hinweisen nicht auf die Schliche gekommen. 2009 bekannte Madoff sich schließlich in elf Anklagepunkten schuldig, darunter Betrug und Geldwäsche. Zu den Opfern seiner Betrugsmasche gehörten Hollywood-Schauspieler wie Kevin Bacon und John Malkovich, aber auch eine Wohltätigkeitsorganisation des US-Produzenten Steven Spielberg. Die Stiftung des jüdischen Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel verlor allein 15,2 Mill. Dollar.
„Madoff konnte der Welt über Jahre hinaus eine Performance vorgaukeln und sich so den Status eines Gurus erschwindeln. Damit hat er bewiesen, dass man eine Lüge nur oft genug wiederholen muss, damit sie glaubwürdig wird“, sagte der renommierte Schweizer Bank-Manager Oswald Grübel 2019 im Interview mit der Börsen-Zeitung. Dabei seien Madoffs Erklärungen über sein Erfolgsrezept nicht stichhaltig gewesen. „Aber die Zeiten waren damals auch noch sehr anders als heute. Wer sich vor 20 Jahren eine Reputation erarbeitet hatte, konnte lange darauf herumreiten, ohne befürchten zu müssen, ernsthaft hinterfragt zu werden. Im Informations- und Technologiezeitalter von heute ist das anders“, so Grübel.
Madoff selbst bestand vor Gericht und in späteren Interviews aus dem Gefängnis stets darauf, dass er viele Jahre lang ein reales Investmentgeschäft betrieben habe. Bis er schließlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, die großzügigen Renditen zu erzielen, die seine Kunden erwartet hätten. „Soweit ich mich erinnere“ habe der Betrug in den frühen 1990er Jahren begonnen, während einer rezessiven Phase der US-Wirtschaft, sagte Madoff vor Gericht. „Als die Jahre vergingen, wurde mir klar, dass meine Verhaftung und dieser Tag unweigerlich kommen würden.“ Die Staatsanwaltschaft hingegen war der Ansicht, der Betrug habe schon in den 1980er Jahren begonnen, womöglich noch früher. Am Ende hatten Madoff und seine Frau Ruth ein Vermögen von rund 825 Mill. Dollar angehäuft.
Bernard Lawrence Madoff wurde am 29. April 1938 geboren. Als Sohn europäischer Einwanderer wuchs er im New Yorker Stadtteil Queens auf, zusammen mit seiner älteren Schwester Sondra und seinem jüngeren Bruder Peter. Seine spätere Ehefrau Ruth Alpern lernte er kennen, als beide noch Teenager waren. 1960, nach seinem Uni-Abschluss in Politikwissenschaften, eröffnete er seine Wertpapierhandelsfirma Bernard L. Madoff Investment Securities. In seinen Büros in Manhattan handelte Madoff mit Penny Stocks und trieb die Digitalisierung des Aktienhandels voran. Später fungierte er als Verwaltungsratschef der US-Technologiebörse Nasdaq, wo seine Wertpapierhandelsfirma der wichtigste Marketmaker war.
„Ich war sehr getrieben“, sagte Madoff 2011 in einem Interview mit der „Financial Times“. „Aber ich war immer außerhalb des Clubs, wobei der Club die New Yorker Börse und die etablierten Investment-Firmen waren. Sie bekämpften mich bei jedem Schritt auf dem Weg.“
Familientragödie
Der Zusammenbruch seines Betrugssystems stürzte nicht nur Madoff selbst, sondern seine ganze Familie ins Unglück. Sein ältester Sohn, Mark, beging 2010 Selbstmord. Seine Ehefrau Ruth brach daraufhin jeden Kontakt ab. „Ich war für den Tod meines Sohnes Mark verantwortlich, und das ist sehr, sehr schwierig“, sagte Madoff 2013 dem Sender CNN Money. „Ich lebe damit. Ich lebe mit der Reue, dem Schmerz, den ich allen verursacht habe, sicherlich meiner Familie und den Opfern.“ Sein zweiter Sohn, Andrew, starb 2014 an Krebs. Im vergangenen Jahr vertraute Madoff der „Washington Post“ in einem Interview an, dass er sehr krank sei und deshalb Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt habe. Madoff litt an einer unheilbaren Nierenkrankheit. Sein Antrag, die letzten Monate seines Lebens in Freiheit verbringen zu können, wurde jedoch abgewiesen.