Boeings Justiz-Sonderberater verabschiedet sich in den Ruhestand
wü – Besonders glaubhaft ist das nicht: Er habe den Vorstand über seinen bereits seit langem in Erwägung gezogenen Ruhestand informiert, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Dabei war Michael Luttig gerade erst Anfang Mai zum Sonderberater des damaligen Konzernchefs Dennis Muilenburg ernannt worden. Auch nach dessen Rücktritt am 23. Dezember halten nun also die personellen Turbulenzen bei Boeing an. Der durch das Debakel um die 737 Max in eine tiefe Krise geratene US-Flugzeugbauer gab bekannt, dass der langjährige Chefjustiziar Luttig Ende des Jahres ebenfalls aufhören werde. Der 65-Jährige war wenige Wochen nach der Verhängung des weltweiten Flugverbots für den Mittelstreckenjet im März als persönlicher Berater Muilenburgs berufen worden.Der ehemalige Richter am Bundesberufungsgericht hat sich seitdem persönlich um alle rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Abstürzen der Flüge JT610 von Lion Air und ET302 von Ethiopian Airlines gekümmert, die zu dem im März verhängten Flugverbot geführt hatten. Der im US-Justizministerium und im Weißen Haus gut verdrahtete Luttig stand seit 2006 an der Spitze der Rechtsabteilung des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns, wo er im Mai von Brett Gerry abgelöst wurde. Der Endvierziger, der u. a. Universitätsabschlüsse in Yale gemacht hat und nach diversen höheren Positionen im US-Justizministerium und im Weißen Haus 2008 zu Boeing kam, war zuletzt Japan-Chef des Konzerns. Europäische Aufseher fragenNeben den Schadenersatzklagen von Angehörigen der Todesopfer drohen dem Airbus-Rivalen auch Klagen von Investoren. Wegen der Zulassung der neu motorisierten Version des 737-Mittelstreckenjets dürfte es weiteren Ärger geben. Daneben muss der künftige Boeing-Chef David Calhoun auch Fragen europäischer Aufseher zur geplanten Übernahme der Zivilluftfahrtsparte von Embraer aus Brasilien beantworten. Der nach der Übernahme des C-Series-Regionaljetprogramms von Bombardier durch Airbus bekannt gegebene Deal hätte ursprünglich in diesem Jahr realisiert werden sollen, doch er wurde verschoben, nachdem die Europäische Kommission im Herbst beschloss, es genauer zu prüfen.Der Rücktritt Muilenburgs, der bis zum Antritt seines Nachfolgers Calhoun am 13. Januar interimsmäßig von Finanzchef Greg Smith ersetzt wird, zeitigt neben dem Ausscheiden Luttigs weitere personelle Konsequenzen. Boeing gab nun auch bekannt, dass Niel Golightly, 61, vom 1. Januar an Anne Toulouse an der Spitze der Kommunikationsabteilung ersetzen werde. Der US-Flugzeugbauer hatte bereits Ende November bekannt gegeben, dass die 61-Jährige Anfang 2020 in Ruhestand gehen wolle. Sie selber sprach damals von einem für Boeing “verzehrenden” und für alle Beteiligten “äußerst schwierigen” Jahr. Kommunikation in der KritikBoeing steht wegen der Krisenkommunikation rund um das 737-Max-Debakel stark in der Kritik. Vor allem dem nun zurückgetretenen Konzernchef Muilenburg wird vorgeworfen, er habe nach den zwei Flugzeugabstürzen in Indonesien und Äthiopien zu wenig Mitgefühl gezeigt und zu langsam und halbherzig reagiert. Der US-Flugzeugbauer fackelte jetzt nicht lange und löschte nur kurz nach Bekanntgabe seines Abgangs alles, was bis dahin unter seinem Namen auf Twitter veröffentlicht worden war. In der Beschreibung wird das Konto inzwischen als inaktiv bezeichnet.Der künftige Boeing-Chef Calhoun muss den amerikanischen Flugzeugbauer im nächsten Jahr durch eine der tiefsten Krisen steuern, die der Konzern je erlebte. Einige Analysten sind skeptisch, ob der 62-Jährige tatsächlich die richtige Besetzung für den Posten ist. Immerhin gehörte er dem Board bereits seit 2009 an; den Vorsitz hatte er im Oktober von Muilenburg übernommen. Als Mitglied des Kontroll- und Führungsorgans hat der frühere Blackstone- und General-Electric-Manager das 737-Max-Krisenmanagement also auch mitgetragen.