Innenpolitik

Boris Johnson hält sich alle Optionen offen

Mit Boris Johnson und Nicola Sturgeon haben zwei der umstrittensten Politiker des Vereinigten Königreichs nun die Bühne verlassen.

Boris Johnson hält sich alle Optionen offen

Johnson hält sich alle Optionen offen

hip London

Mit Boris Johnson und Nicola Sturgeon haben zwei der umstrittensten Politiker des Vereinigten Königreichs die Bühne verlassen. Johnson trat die Flucht nach vorne an und legte sein Unterhausmandat nieder, nachdem ihn ein Parlamentsausschuss suspendieren wollte. Der Vorwurf: Johnson habe das Unterhaus im Partygate-Skandal belogen. Die Suspendierung hätte vermutlich Neuwahlen in seinem Wahlkreis ermöglicht. Sturgeon wurde von der schottischen Polizei festgenommen und sieben Stunden lang verhört. Es geht dabei um die Verwendung von Spenden im Volumen von rund 600.000 Pfund, die für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum gedacht waren. Sie hatte den Parteivorsitz der Scottish National Party (SNP) bereits im Februar abgegeben, als klar war, dass auch auf dem Klageweg keine weitere Volksabstimmung über die Loslösung von Restbritannien zu erreichen sein würde.

“Rache für den Brexit”

Johnson sieht sich als Opfer einer “Hexenjagd, um Rache für den Brexit zu nehmen und am Ende das Ergebnis der Volksabstimmung von 2016 zu revidieren”, wie er in einer Erklärung zur Mandatsniederlegung schreibt. Ihn zu entfernen sei der erste Schritt, der dafür notwendig sei, und er glaube, dass es konzertierte Anstrengungen in diese Richtung gegeben habe. Es sei doch kein Zufall, dass die Karrierebeamtin Sue Gray, von der die Parties während des Lockdowns an seinem Amtssitz untersucht wurden, nun Chief of Staff des Oppositionsführers Keir Starmer werde. Johnson hielt sich damit alle Optionen offen. Er machte keinerlei Schuldeingeständnisse, sondern gab der Partei ein paar inhaltliche Vorstellungen mit auf den Weg. “Wir müssen zeigen, wie wir das Beste aus dem Brexit machen können und in den kommenden Monaten eine Agenda für Wachstum und Investitionen aufstellen”, empfahl er. Auch Steuersenkungen gehörten dazu. Doch ist seine Gefolgschaft stark geschrumpft. Die befürchtete Revolte von ihm nahestehenden Abgeordneten blieb aus. Lediglich Nigel Adams und Nadine Dorries, der 10 Downing Street den Aufstieg ins Oberhaus verwehrte, legten ihre Mandate ebenfalls nieder. Drei Nachwahlen sollten der Regierung keine großen Probleme machen. Viele Brexit-Befürworter von einst haben sich wegen den zahlreichen Skandalen seiner Amtszeit von ihm abgewandt. Für die Gegner des EU-Austritts ergab sich dadurch die Möglichkeit, mit ihm abzurechnen. Nun wird sich zeigen, ob Johnson sich damit begnügen wird, als hochbezahlter Gastredner durch die Welt zu tingeln und an seiner Autobiografie zu arbeiten. Ein Comeback bei den Tories ist kaum denkbar. Aber vielleicht bildet sich ja eine neue Partei, die ihm eine Chance gibt. Der ehemalige UKIP-Chef Nigel Farage machte in einem Fernsehinterview bereits Anknüpfungspunkte aus, auch wenn er von Johnsons “urban-liberalen Ansichten” nichts halte.

Auch Sturgeon betonte ihre Unschuld. Sie habe nicht nur nach dem Gesetz Anspruch auf die Unschuldsvermutung, hieß es in ihrer Stellungnahme. “Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass ich mich keines Vergehens schuldig gemacht habe.” Im April hatte die Polizei bereits ihren Ehemann Peter Murrell und den SNP-Kassenwart Colin Beattie vorübergehend festgenommen. “Diese Seifenoper läuft lange genug”, zitierte die “Times” den SNP-Veteranen Angus MacNeil. Sturgeon habe andere für weit weniger suspendiert. Beide Abgänge bieten den jeweiligen Parteien die Chance auf einen Neuanfang, der sich vielleicht an weniger großen Egos orientiert. Sturgeons Vorgänger Alex Salmond wurde vor Jahren ebenfalls festgenommen. Er wurde 2019 wegen sexueller Belästigung angeklagt und im März 2020 in allen Punkten freigesprochen.

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