Brasiliens neuer Pandemie-Koordinator
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Er hat sich den wohl schwersten Job der Welt aufgehalst. Marcelo Queiroga übernahm die Leitung des brasilianischen Gesundheitsministeriums, zu einem Zeitpunkt, zu dem das größte Land Lateinamerikas „den größten Gesundheits- und Krankenhauskollaps in der Geschichte“ durchmacht, so die renommierte Oswaldo-Cruz-Stiftung (Fiocruz). Laut der Institution liegen die Belegungsraten der Intensivbetten in 24 der 26 Bundesstaaten sowie der Bundeshauptstadt Brasilia bei über 80%. In 15 Staaten sind mehr als 90% der Intensivplätze belegt.
Queiroga, der vormalige Präsident der brasilianischen Gesellschaft für Kardiologie, ist der bereits vierte Amtsinhaber, seitdem das neue Virus am 26. Februar 2020 bei einem Italien-Rückkehrer diagnostiziert wurde. Er wird Eduardo Pazuello ablösen, den Präsident Jair Bolsonaro Mitte des Vorjahres vom Armeegeneral zum Gesundheitsminister umfunktionierte und der alle Orders aus dem Präsidentenpalast folgsam umsetzte, oftmals ohne Rat bei Fachleuten einzuholen. Es folgten serienweise Fehlentscheidungen, vor allem nach dem Aufkommen einer hochansteckenden Variante in der Amazonas-Region. Weil sich diese im ganzen Land ausbreitete, weil die Impfkampagne kaum in Gang kommt und vor allem weil der Ex-Präsident Lula auf die politische Bühne zurückkehrte, suchte sich Jair Bolsonaro einen neuen Minister, der doch wieder vom Fach sein sollte.
Queiroga war Bolsonaros zweite Wahl, nachdem eine prominente Kardiologin abgesagt hatte. Ludhmila Hajjar äußerte nach einem Treffen mit Bolsonaro, sie habe keine fachlichen Übereinstimmungen mit dem Präsidenten ausmachen können. Zwischen Queiroga und Bolsonaro sind die Konvergenzen offenbar größer, und das nicht erst seit heute. Der Mediziner gehörte schon Ende 2018 zu Bolsonaros Übergangsteam, musste dann aber akzeptieren, dass ihm der Orthopäde Luis Henrique Mandetta vorgezogen wurde. Dieser ging im April, unter anderem weil Bolsonaro keine nationale Quarantäne verordnen wollte.
Queiroga, der sich in den nächsten zwei Wochen einarbeiten soll, sprach sich in ersten Interviews auch gegen einen allgemeinen Lockdown aus, mit Verweis auf mögliche wirtschaftliche Folgen. Zu Queirogas dringendsten Aufgaben dürfte es gehören, die Maßnahmen gegen die Pandemie endlich von Brasilia aus zu koordinieren. Im bisherigen Chaos agieren Bundesstaaten und Munizipien allein und oftmals verquer. Und Queiroga muss endlich ein nationales Impfprogramm in Schwung bringen. Sein Vorgänger hat 150 Millionen Dosen geordert, die erst in der zweiten Jahreshälfte eintreffen dürften. Doch das wird in dem 210-Millionen-Land nicht reichen.