Brunello Cucinelli erkennt den Zeitgeist
Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDer 63-jährige Kaschmir-Unternehmer aus Umbrien Brunello Cucinelli hat den Zeitgeist erkannt. Er investiert nicht nur in sein Unternehmen, sondern auch in Umweltschutz und Kultur. Zocken und Spekulationen an den Finanzmärkten sind ihm ein Graus, die Verbesserung des Arbeitsumfelds zählt zu seinen Prioritäten.Als er 2012 die von ihm in den siebziger Jahren gegründete Gesellschaft an die Börse brachte, erklärte er den Investoren, dass Gewinnmaximierung nicht zu seinen vorrangigen Zielen zähle und er ein Wachstum “Schritt für Schritt” anpeile. Die Aktionäre zeigten sich einverstanden und haben es nicht bereut. Inzwischen macht die Kapitalisierung des Kaschmirunternehmens über 1 Mrd. Euro aus, und es erzielt seit Jahren Gewinne. Philosoph und ManagerEin Fünftel des Gewinns wird jährlich in eine Stiftung eingebracht, die in den vergangenen Jahren intensiv in brachliegende Industrieflächen rund um den Firmensitz in Solomeo investierte. Diese Flächen wurden wieder für Wein- und Olivenanbau, aber auch für neue Spiel- und Sportstätten für die Jugend genutzt.Der Manager hat sich sein Leben lang der Philosophie gewidmet, sein Ingenieurstudium brach er kurzfristig ab. Vor wenigen Jahren erhielt er den Ehrendoktor in Philosophie der Universität Perugia. Da er nicht von Philosophie leben konnte, begann er mit Strickwaren sein Geld zu verdienen. “Als ich meine ersten 53 Kaschmir-Pullover verkaufte, fühlte ich mich wie Alexander der Große.”In den neunziger Jahren kaufte Cucinelli ein mittelalterliches Dorf “Solomeo”, ließ es umstrukturieren und verlagerte seine Produktion dorthin. Es wäre nicht Cucinelli, hätte er dort nicht gleich ein Theater errichten lassen. “Ich will, dass meine Arbeiter kulturell gebildet sind.” Vor kurzem hat er eine Schule eingerichtet, um im Schneiderhandwerk auszubilden. Er will damit das Handwerk aufwerten. Und das neue Engagement im E-Commerce betrachtet er als “Handwerk des Webs”. KaschmirkapitalistInzwischen erreicht Brunello Cucinelli einen Jahresumsatz von knapp 500 Mill. Euro, verbessert jährlich seinen Gewinn und schüttet Dividenden aus. Der Kaschmirkapitalist lässt sich aber keineswegs durch wirtschaftliche Erfolge von seinem Anliegen für Umweltpflege und Nachhaltigkeit abhalten. Der Vater von zwei erwachsenen Töchtern, die beide im Betrieb mitarbeiten, ist keineswegs ein Verfechter des traditionellen Familienkapitalismus. “Ich kann mir vorstellen, dass das Unternehmen künftig auch von einem bewährten Manager geleitet wird”, sagt er. Doch dieser Manager muss erst gefunden werden: Denn Brunello Cucinelli ist nicht nur Philosoph, Unternehmer und ein hervorragender Marketingexperte. Er ist an erster Stelle Perfektionist.