Carlos Ghosn droht das Aus als Renault-Chef
Von Martin Fritz, TokioNach dem ersten Auftritt von Carlos Ghosn (64) vor einem Gericht in Japan wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der einst mächtigste Automanager der Welt nach seiner Absetzung als Verwaltungsratschef von Nissan auch seine Posten als Vorstands- und Verwaltungsratschef von Renault verliert. Zwar erklärte die französische Arbeitsministerin Muriel Pénicaud, Ghosn bleibe Chef von Renault. Der französische Staat ist der größte Renault-Aktionär, Nissan ist eine Renault-Tochter.Doch Ghosn muss sich auf seine juristische Verteidigung in Japan konzentrieren und kann seine Führungsaufgaben bei Renault nicht mehr wahrnehmen. Eine erste Anklage gegen ihn wegen falscher Gehaltsangaben in Finanzberichten von Nissan an die Börse wurde im Dezember erhoben. Am Freitag droht eine zweite Anklage wegen Veruntreuung von Firmenvermögen, weil Ghosn Verluste aus Wechselkursabsicherungen zeitweise an Nissan übertragen hatte. Vor allem ist unsicher, ob Ghosn überhaupt auf freien Fuß kommen kann. Sein Anwalt Motonari Otsuru beantragte am Dienstag ein Ende der Untersuchungshaft und will bei einer zweiten Anklage am Freitag Haftentlassung auf Kaution fordern. Jedoch warnte Otsuru, dass dies beim Vorwurf der Veruntreuung normalerweise nicht gewährt werde. Diese Aussicht quäle Ghosn, berichtete der Anwalt. Der erste Prozess gegen Ghosn werde zudem frühestens in sechs Monaten beginnen.Zuvor war der verhaftete Manager auf eigenen Antrag erstmals vor Gericht in Japan erschienen, um seine Haftgründe zu erfahren. “Ich wurde zu Unrecht angeklagt und ungerechtfertigterweise verhaftet”, sagte Ghosn dem Richter mit fester Stimme. Die 50 Tage in Untersuchungshaft hatten ihn sichtbar gezeichnet: Spitze Wangenknochen deuteten auf einen größeren Gewichtsverlust, ein grauer Ansatz der sonst schwarz gefärbten Haare war sichtbar.Der Vorsitzende Richter Yuichi Tada erklärte, aufgrund der Aussagen von beteiligten Personen und von Ghosn selbst sei es möglich, dass Nissan Schaden zugefügt worden sei, die Untersuchungen gingen weiter. Dagegen beteuerte Ghosn seine Unschuld. Alles sei mit Wissen und Genehmigung anderer Manager geschehen.Auch sein Anwalt sieht keinen Grund für die Inhaftierung. “Nissan, Ghosn und die Bank hatten vereinbart, dass das Unternehmen für die Investitionsverluste von Ghosn nicht haftet, so dass keine Veruntreuung vorliegt”, sagte Otsuru.Überraschend verzichtete Ghosn vor Gericht auf jedes böse Wort gegen frühere Mit-Manager bei Nissan, obwohl sie ihn ans Messer geliefert hatten. Vielmehr unterstrich Ghosn seine Liebe und Wertschätzung für das Unternehmen.Doch Nissan teilte ungerührt mit, die Untersuchung des Fehlverhaltens von Ghosn gehe weiter und seine Absetzung sei endgültig. Nissan-Chef Hiroto Saikawa wies die Forderung von Renault nach einer außerordentlichen Aktionärsversammlung zum zweiten Mal zurück und signalisierte, die Kapitalbeziehung später ändern zu wollen. Zudem wurde ein wichtiger Ghosn-Vertrauter, der Chief Performance Officer José Muñoz aus Spanien, beurlaubt.