mf – Den heutigen Mittwoch dürfte Carlos Ghosn (66) als Jahrestag seiner zweiten Geburt feiern: Vor genau einem Jahr gelang dem Ex-Chef der Autobauer-Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi die Flucht aus Japan in den Libanon. Dadurch entkam er einem bevorstehenden Gerichtsprozess, der mutmaßlich in eine Verurteilung zu mehreren Jahren Gefängnis in Japan wegen diverser Finanzvergehen gemündet hätte. Doch am 29. Dezember 2019 verließ Ghosn seine Wohnung in Tokio und fuhr mit dem Zug nach Osaka. Dort versteckten ihn zwei Helfershelfer in einem Instrumentenkoffer und schafften ihn mit einem Privatflugzeug außer Landes. Zunächst ging es nach Istanbul, von dort nach Beirut.Auf einer Pressekonferenz Anfang Januar, später in Interviews und schließlich in einem Buch begründete Ghosn, warum er sich dem Zugriff der japanischen Justiz entzogen und sich in die Heimat seiner Eltern abgesetzt hatte: Er habe nicht mit einem fairen Prozess rechnen können, sagt Ghosn, nachdem die Staatsanwälte vergeblich versucht hätten, durch eine monatelange Isolationshaft ein Geständnis von ihm zu erpressen. Im November bestätigte eine Expertengruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Festnahmen die Einschätzung von Ghosn. Seine mehrfache Inhaftierung ab November 2018 sei “willkürlich” gewesen, Japan sollte den Fall bereinigen und ihn entschädigen, forderten die Experten.Der Manager mit französischem, libanesischem und brasilianischem Pass flüchtete nach Beirut, weil der Libanon kein Auslieferungsabkommen mit Japan hat und er dort über beste Kontakte verfügt. Die Kehrseite: Ghosn kann das Land nicht verlassen. Neuerdings ermittelt die französische Justiz wegen Steuerhinterziehung gegen ihn. Angeblich plant sie, 13 Mill. Dollar an Vermögenswerten von ihm und seiner Frau zu beschlagnahmen. Im Januar wollen die Ermittler Ghosn in Beirut befragen.