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CEO von Kinnevik setzt dritten Pivotschritt um

Als die börsennotierte schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik im Sommer 2017 ankündigte, dass Georgi Ganev (44) zum Jahreswechsel die Rolle des CEO übernehmen werde, hatte die Kinnevik-Aktie drei Jahre im Zeichen der Stagnation hinter sich,...

CEO von Kinnevik setzt dritten Pivotschritt um

Von Stefan Paravicini, Berlin

Als die börsennotierte schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik im Sommer 2017 ankündigte, dass Georgi Ganev (44) zum Jahreswechsel die Rolle des CEO übernehmen werde, hatte die Kinnevik-Aktie drei Jahre im Zeichen der Stagnation hinter sich, obwohl die Gesellschaft erst kurz zuvor ihre Beteiligung an der Berliner Start-up-Schmiede Rocket Internet versilbert und dabei zusammen mit den erhaltenen Dividenden das Sechsfache ihres Investments eingestrichen hatte. „Ein Teil des Problems ist, dass sich die Aktionäre nicht mehr sicher sind, was für ein Unternehmen Kinnevik eigentlich ist“, wurde ein großer schwedischer Investor damals in der „Financial Times“ zitiert. „Ist Kinnevik eine Telekomfirma mit Assets wie Tele2 und Millicom? Oder ist Kinnevik ein unkonventioneller Start-up-Investor? Der Markt ist sich nicht sicher und dafür werden sie bestraft.“

Spezialist statt Generalist

Die größte Kinnevik-Aktionärin, Cristina Stenbeck (43), zog die Konsequenz und trennte sich bereits im Dezember 2016 nach nur zweieinhalb Jahren von CEO Lorenzo Grabau, einem Investmentbanker, der im Markt als Generalist wahrgenommen wurde. Die Suche nach einem Nachfolger dauerte ein halbes Jahr, bis Kinnevik bei dem schwedischen IT-Händler Dustin fündig wurde, den CEO Georgi Ganev gerade an die Stockholmer Börse geführt hatte.

Mit Ganev habe man sich bewusst für einen Spezialisten aus dem Telekomsektor entschieden, erklärte Stenbeck damals die Wahl für den Nachfolger von Grabau, mit der sie auch das Profil von Kinnevik wieder schärfen wollte. In gewisser Weise setzte sie dabei auf ein Eigengewächs, denn Ganev startete seine Karriere bei der schwedischen Telekomfirma Tele2, die 1993 von ihrem Vater Jan Stenbeck gegründet wurde. Ganev saß als Dustin-Chef später im Aufsichtsrat von Tele2, wo er offenbar auch Cristina Stenbeck auf sich aufmerksam machte.

Die Gründung von Tele2 untermauerte den ersten großen Pivotschritt von Kinnevik, die damals das Geld aus ihrem angestammten Geschäft mit Papier und Zellstoff im großen Stil in den Telekomsektor steckte. Der zweite Umbau des Portfolios erfolgte mehr als zehn Jahre später, nachdem Cristina 2002 an die Stelle des plötzlich verstorbenen Vaters gerückt war und begann, in Internetfirmen wie Zalando, Rocket Internet und Avito zu investieren. Die Berufung von Ganev, der nach seinem Start bei Tele2 unter anderem auch beim norwegischen Telekomkonzern Telenor arbeitete und hier das schwedische Breitbandgeschäft verantwortete, sollte unterstreichen, dass die Sektoren Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) weiter im Fokus von Kinnevik stehen werden. Mittlerweile hat Kinnevik mit Ganev als CEO aber längst ihren dritten Pivot eingeleitet, der mit der Weitergabe der Anteile am Berliner E-Commerce-Konzern Zalando an die Aktionäre zu einem vorläufigen Abschluss kommt.

Eine ähnliche Transaktion hatte Ganev bereits im Herbst 2019 umgesetzt, als Kinnevik die Anteile an der ebenfalls noch von Jan Stenbeck gegründeten Millicom Group an ihre Aktionäre verteilte. Das Unternehmen vertreibt Telekomdienste in mehr als einem Dutzend Schwellenländern. Gleichzeitig kündigte die Beteiligungsgesellschaft damals an, keine regulären Dividenden mehr auszuzahlen und stattdessen verstärkt in nicht börsennotierte Start-up-Unternehmen in den Sektoren Gesundheit, Finanzen, Lebensmittel und Mode zu investieren. Wenige Stunden zuvor hatte Kinnevik Zalando-Aktien mit einem Volumen von knapp 560 Mill. Euro abgestoßen.

In der Pandemie bewährt

Die Wetten, die Kinnevik seither mit ihrem neuen Fokus eingegangen ist, haben sich in der Corona-Pandemie doppelt bewährt, wie Ganev vor wenigen Monaten im Gespräch mit der „Financial Times“ erklärte. Das gilt aber weiterhin auch für Beteiligungen in nicht privat gehaltene Firmen. Der Einstieg bei der mittlerweile notierten Gesundheitsfirma Livongo hat sich nach der Übernahme durch Teladoc Health vor wenigen Monaten mit dem Zehnfachen bezahlt gemacht. Das ist sogar noch ein bisschen mehr als bei Zalando, dem über viele Jahre größten Investment von Kinnevik. Der Aktienkurs der Beteiligungsgesellschaft hat sich in den vergangenen zwölf Monaten fast verdoppelt, auch wenn es nach der angekündigten Trennung von Zalando knapp 4% rückwärts ging.

Mit dem Ausstieg bei dem Berliner E-Commerce-Konzern machen schnell wachsende Unternehmen 67% statt bisher 37% des Kinnevik-Portfolios aus und der Anteil der privat gehaltenen Firmen steigt von 15% auf 27%. Mit Ganev in der operativen Verantwortung scheint der dritte Pivotschritt gelungen zu sein.