Chinas Vorzeigekapitalist ist auch Parteigenosse
Von Norbert Hellmann, SchanghaiZu Chinas Entrepreneur-Star Jack Ma erlebt man ein Coming-out der besonderen Art. Der Gründer und Chef des Onlinehandelsgiganten Alibaba ist als reichster Mann im Reich der Mitte nicht nur Chinas Vorzeigekapitalist par excellence, sondern entpuppt sich nun auch als ein Vorzeigekommunist beziehungsweise Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas.Die Leser der führenden Tageszeitung “People’s Daily” dürfte es nicht sonderlich verwundert haben, dass bei einer Vorschlagsliste von 100 Persönlichkeiten, die sich besonders um die 2018 gefeierten 40 Jahre chinesischer Reform- und Öffnungspolitik verdient gemacht haben, auch der Alibaba-Chef als Taktgeber für Chinas E-Commerce-Revolution mit von der Partie ist. Größer aber war die Verwunderung darüber, dass Ma in dem Artikel der Parteizeitung explizit auch als Mitglied der KP geführt wurde. Nun ist die Katze also aus dem Sack.Jack Ma, der aus einer kleinen Internetplattform einen an der Wall Street börsennotierten Technologieriesen mit gut 400 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung aufgezogen hat, wird insbesondere von jüngeren Generationen in China als Entrepreneursgenie und unternehmerisches Idol verehrt und gefeiert. Dabei galt er stets als ein Paradebeispiel dafür, wie sich privates Unternehmertum auch außerhalb der Chinas Wirtschaftsleben dominierenden parteipolitischen Sphäre relativ unbehelligt und unabhängig den Weg zum Erfolg bahnen kann.Darüber, dass Ma tatsächlich selber “Clubmitglied” sein könnte, ist zwar in den vergangenen Jahren bisweilen spekuliert worden, allerdings hat die entsprechende Fragestellung bei Chinas führender Suchmaschine Baidu bislang stets überwiegend die Antwort Nein ausgespuckt. Offen ist aber noch die Frage, seit wann der Alibaba-Gründer als KP-Mitglied mit an Bord ist. Hier tippen die meisten auf einen Zeitpunkt jüngeren Datums. Auf SchmusekursIn den letzten zwei Jahren einer massiv verstärkten staatlichen Kontrolle und Zensur über das Internetwesen hat man beobachten können, wie die Gründer und Chefs der drei führenden chinesischen Technologieunternehmen Alibaba, Baidu und Tencent immer stärker darauf bedacht sind, sich als linientreue Unterstützer der politischen Führung darzustellen. Es gilt sich nicht nur von jeglicher Kritik fernzuhalten, sondern gleichzeitig nicht damit zu sparen, eine patriotische Gesinnung an den Tag zu legen.In der Liste der 100 Persönlichkeiten mit ihren besonderen Reformverdiensten finden sich denn auch neben dem Alibaba-Chef auch die Gründer von Baidu und Tencent, Robin Li und Pony Ma, wieder. Letztere sind dabei des Öfteren in einem offensichtlichen politischen Rahmen aufgetreten, etwa beim jährlichen chinesischen Volkskongress als Vertreter im Rahmen der begleitenden Konsultativkonferenzen.Gerade in der Internet- und Technologieszene beobachtet man eine immer weiter reichende Kooperation privater Großunternehmen mit der Partei- und Regierungsebene. Sie ist einerseits einer gewissen sozialen Verantwortung angesichts der Dominanz von Alibaba, Baidu und Tencent in Bereichen wie E-Commerce, Suchdienste, Online-Spiele, soziale Medien, elektronische Zahlungssysteme sowie Anwendungen von künstlicher Intelligenz geschuldet. Gleichzeitig sind die Tech-Riesen eine der wichtigsten Bindeglieder für die Übertragung von wirtschaftspolitischen Impulsen und Programmen in einer noch immer vornehmlich staatsgelenkten Wirtschaft geworden. Schleichender RollenwechselBei Jack Ma ist der Rollenwechsel vom quirligen Tech-Entrepreneur zu einer Art chinaweiten Verantwortungsträger mit patriotischer Gesinnung und Mitspieler im Regierungsgefüge besonders augenfällig. Ma setzte sich bereits vor zwei Jahren verbal dafür ein, dass die Staatssicherheitsdienste auf Big-Data-Technologie zur Kriminalitätsbekämpfung und allgemeineren Online-Überwachung zurückgreifen. Dabei sind Alibaba und die von Ma geführte Fintech-Schwestergesellschaft Ant Financial in mannigfaltige Projekte miteingebunden.In Sachen sozialer Verantwortung wiederum sieht sich Ma in einer Speerspitzenfunktion, um über das E-Commerce- und Logistiknetzwerk von Alibaba und der Einbindung von strukturschwachen ländlichen Gegenden einen Beitrag zu Chinas Armutsbekämpfungsprogrammen zu leisten. In den letzten Monaten hat sich der Alibaba-Chairman im Zusammenhang mit dem Handelsstreit zwischen China und den Vereinigten Staaten nun auch als politisch gefärbter Redner und Claqueur für Chinas Belange im Streben nach einer technologischen Führerschaft und einer größeren Unabhängigkeit von amerikanischen Technologieprodukten gezeigt.Ab dem kommenden Jahr will Ma als Philanthrop noch stärker Flagge in Sachen soziale Verantwortung zeigen. Vor wenigen Wochen hatte er überraschend angekündigt, dass er am 10. September 2019, ein Datum, das Alibabas 20-jähriges Gründungsjubiläum und seinen 55. Geburtstag markiert, seinen Posten als Alibaba-Chairman aufgeben wird und sein beträchtliches Vermögen von gegenwärtig rund 38 Mrd. Dollar über eine Stiftung stärker für wohltätige Zwecke einbringen will.