Chemieindustrie

Controllingfan, aber kein Kontrollfreak

Seit drei Wochen ist Maike Schuh als CFO von Evonik im Amt. Ihre wichtigste Aufgabe ist es nun, die Sparte, die sie zuletzt leitete, in Einzelteilen zu verkaufen.

Controllingfan, aber kein Kontrollfreak

„Foliengemale brauche ich nicht“

Von Annette Becker, Essen

Maike Schuh, die seit drei Wochen als Finanzchefin im Vorstand von Evonik sitzt, ist ein kommunikativer Mensch. Die 49-Jährige ist es gewohnt, auf Menschen zuzugehen und zuzuhören. Kein bisschen eitel parliert sie im ersten Kennenlerngespräch mit Journalisten über Privates, ihren beruflichen Werdegang und das, was sie in ihrer neuen Funktion verändern will. Ausdrücklich darf gelacht werden, Schuh geht mit bestem Beispiel voran.

Doch auch wenn es sich anfühlt wie ein lockeres Beisammensein im Freundeskreis, erfordert das Beantworten der zahlreichen Fragen von Schuh höchste Konzentration, hatte sie bis dato doch kaum Investoren- oder Medienkontakte. Normalerweise würde sie an solchen Abenden mehr Wein trinken, räumt sie augenzwinkernd ein.

Wenn es ums Geschäft und ihre neue Aufgabe im Konzern geht – für Evonik arbeitet sie seit 2015 –, ist die gebürtige Wiesbadenerin voll in ihrem Element. Nach drei Wochen im Amt hat sie bereits konkrete Vorstellungen, was sie verändern will. Allem voran geht es um die engere Zusammenarbeit zwischen den Divisionen und dem Corporate Center. „Das Corporate Controlling muss zum Sparringspartner werden“, gibt sie die Richtung vor.

Wo es hakt, weiß sie nur allzu gut, arbeitete sie doch vor ihrem Wechsel in den Konzernvorstand drei Jahre in der Division Performance Materials – zunächst als Finanzverantwortliche, seit Juli 2022 als Spartenchefin. „Ich verstehe, wo die Nöte der Divisionen liegen.“

Zahlenmensch

Obwohl Juristin, ist Schuh ein Zahlenmensch. Entsprechend hat sie sich auf Steuerrecht spezialisiert. Das „Foliengemale brauche ich nicht, an den Zahlen klebe ich schon“, bringt es Schuh auf den Punkt und ergänzt: „Bei mir gibt es keine Meetingpflicht, aber natürlich habe ich einen Steuerungsanspruch.“

Viel Eingewöhnungszeit bekommt Schuh jedoch nicht zugestanden, denn der Verkauf der Division Performance Materials in Einzelteilen steht auf der Prioritätenliste ganz oben. Nach dem Verkauf des Standorts Lülsdorf steht als Nächstes das Geschäft mit Superabsorbern, dem Hauptbestandteil von Windeln, auf dem Block. Am Mittwoch fiel der Startschuss für den Bieterprozess.

Auch wenn das Umfeld gerade nicht günstig sei, „erwarte ich durchaus in diesem Jahr ein Signing“, sagt die Finanzchefin. Last but not least soll auch Performance Intermediates (C4-Chemie) unter den Hammer kommen. Mit einem Umsatz von 2,1 Mrd. Euro das größte Geschäft der Division und jenes, für das potenzielle Käufer mutmaßlich nicht Schlange stehen dürften. In zwei bis drei Monaten sei das Geschäft verkaufsbereit. Ziel sei es, noch im laufenden Jahr Klarheit für alle Einheiten aus Performance Materials zu bekommen. Zugleich gilt: „Einen Firesale werden wir nicht machen.“

Einige Investorengespräche hat sie in den ersten Arbeitstagen auf dem neuen Posten schon absolviert. In das Wehklagen über die unbefriedigende Aktienentwicklung kann sie nur einstimmen, denn die Kursperformance sei nicht zufriedenstellend. „Unsere Ziele für 2023 sind nicht das, was man von einem Spezialchemiekonzern erwarten darf“, sagt Schuh, relativiert aber sogleich, dass sich Evonik für dieses schwierige Jahr ambitionierte Ziele gesetzt hat.