Coste-Lepoutre will für Allianz vorausschauend analysieren
Coste-Lepoutre will für Allianz vorausschauend analysieren
Von Michael Flämig, München
Bilanzpressekonferenzen sind ein Meilenstein der Finanzkommunikation jedes Unternehmens. Für den Versicherer Allianz ist die Veranstaltung in diesem Jahr auch aus einem anderen Grund ein ganz besonderes Datum.
Denn erstmals wird Claire-Marie Coste-Lepoutre die Jahreszahlen den Journalisten und Analysten präsentieren, am 23. Februar ist es so weit. Schließlich hat die 48-Jährige Anfang Januar Giulio Terzariol an der Spitze des Finanzressorts abgelöst. „Ich bin ein sehr neugieriger Mensch, ich freue mich auf diesen Termin“, sagt sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Wer der gebürtigen Französin begegnet, kann diese Offenheit unmittelbar nachvollziehen. Mit präziser Analytik und strahlendem Lächeln begegnet sie ihrer Umgebung. Die Mutter zweier jugendlicher Kinder bringt aber vor allem eine beeindruckende Berufserfahrung mit. „Sie hat im Grunde in dieser Branche alles gesehen“, lautet das bewundernde Lob von Terzariol, der von der Allianz in den Vorstand des Konkurrenten Generali gewechselt ist. Zudem sei Claire-Marie Coste-Lepoutre eine wunderbare Person.
„Etwas bewegen in dieser Welt“
Warum sie in der Assekuranz gelandet ist? „Ich will etwas bewegen in dieser Welt“, lautet die Antwort von Coste-Lepoutre. Absicherungen seien einfach wichtig für die Menschen. Zugleich hat sie einen Sinn für Zahlen – auch in ihrer Freizeit. Sie lese Science-Fiction-Bücher, weil dort mathematische Muster zu entdecken seien, erzählt sie.
Tatsächlich denkt Coste-Lepoutre, die in Châlons-en-Champagne im Herzen Frankreichs geboren wurde, ausgeprägt in Strukturen. Ihre Ausbildung hat das Rüstzeug hierfür bereitgestellt: Sie hat den Master in Versicherungsmathematik am Lyoner Institut de Science Financière et d’Assurances erworben, und als Aktuarin ist sie Mitglied der Versicherungsmathematischen Gesellschaft in Frankreich.
Diese Denkansätze will Coste-Lepoutre auch in ihrer neuen Funktion als CFO der Allianz SE nutzen, um einen Beitrag zur Entwicklung der Gruppe zu leisten – ohne ein starres Konzept für ihre ersten Amtsmonate vor sich herzutragen. Ihr Credo: „Die CFO-Funktion darf nicht nur in die Vergangenheit schauen, sondern muss vorausschauend analysieren.“
Es gelte beispielsweise, immer mehr Daten in Echtzeit bereitzustellen. Die Verzahnung der Finanzfunktion mit den operativen Einheiten ist ihr wichtig, wie sie sagt. So hat Coste-Lepoutre in der Assekuranz beobachtet, dass Zukunftschancen falsch eingeschätzt wurden, weil die Akteure in ihrer Analyse den aktuellen Stand des Branchenzyklus ignorierten. Die Einführung anderer Kennziffern zur Steuerung der Allianz hält sie derweil nicht für notwendig.
International von Kindesbeinen an
Ebenfalls wichtig für Coste-Lepoutre ist es, die Resilienz des Münchner Versicherers zu erhalten. Kapitaloptimierung und auch Rückversicherung hat sie unter anderem bei ihrem Berufseinstieg bei Scor kennengelernt. Für den französischen Rückversicherer war sie von 1999 bis 2004 in verschiedenen Rollen aktiv, und zwar in Paris und Toronto.
Örtliche Flexibilität und Internationalität ist Coste-Lepoutre von Kindesbeinen an vertraut. „Wir sind häufig umgezogen, wenn mein Vater im Umfeld der Armee den Einsatzort wechselte“, berichtet sie. Coste-Lepoutre hat daher viele Jahre auch in Deutschland verbracht, wählt aber trotz sehr guter Deutschkenntnisse gerne die englische Sprache wegen des präziseren Austausches.
Zusammenarbeit mit Bäte
Einen Blick über die gesamte Versicherungsbranche hat sie als Associate Principal von McKinsey (2004 bis 2011) mit Sitz in Paris und Wien gewonnen. Letztlich allerdings wurde ihr dieser Horizont zu eng. „Etwas in der Welt zu bewegen, bedeutet eben für mich: Ich wollte nicht nur analysieren, sondern operativ tätig werden“, berichtet sie.
Da traf es sich gut, dass Oliver Bäte, der bis 2007 den europäischen Insurance- und Asset-Management-Sektor von McKinsey Deutschland verantwortet hatte, zur Allianz gewechselt war. Coste-Lepoutre leitete in Bätes Zeit als Finanzvorstand von 2011 bis 2012 sein Büro in München. „Es war eine gute Erfahrung, weil ich Kontakte in der ganzen Gruppe und Kenntnisse über den Instrumenten-Kasten aufbaute, die ich anschließend nutzen konnte.“
Nach Bätes Wechsel in ein Vorstandsressort mit Zuständigkeit unter anderem für Frankreich und Benelux war Coste-Lepoutre als Leiterin der dortigen Business Division (2013 bis 2015) mit Sitz in München ebenfalls in seinem Umfeld tätig.
Nun hat sich das Duo an der Spitze der Allianz wiedergetroffen. Ob die lange berufliche Zusammenarbeit mit dem heutigen Vorstandsvorsitzenden Bäte auch ein Nachteil sein kann? Coste-Lepoutre sieht überhaupt keine Probleme. Sie schätze Bäte, die Kooperation sei sehr gut und produktiv. Die Finanzkommunikation wird sich auch deswegen neu sortieren, weil in Kürze die Leiter von Investor Relations und der Finanzpresseabteilung altersbedingt ausscheiden.
Meisterwerk AGCS
In die Position des Finanzvorstands rückte Coste-Lepoutre 2015 vor, als sie vier Jahre lang als regionaler CFO für Allianz Benelux in Brüssel tätig war. Es habe gegolten, alle Sparten im Blick zu behalten, erinnert sie sich. Auch Terzariol streicht heraus, dass seine Nachfolgerin Expertise sowohl in der Schaden- und Unfallversicherung als auch in der Lebensversicherung habe.
Ihr Meisterwerk lieferte die heutige Allianz-Finanzchefin als CFO des Allianz-Industrieversicherers ab. Gemeinsam mit dem mittlerweile ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden Joachim Müller sanierte sie AGCS, zum Lohn stieg sie 2023 zum stellvertretenden CEO auf.
Doch dann kam alles anders: Schon im September des vergangenen Jahres wechselte sie als Leiterin der Abteilung Group Planning and Controlling zur Allianz SE und übernahm damit jene Position, die als Sprungbrett auf die Position des Allianz-Finanzvorstands gilt.