Daueroptimist und Dampfplauderer
Von Daniel Zulauf, Zürich”Marketing ist eine Erfindung der Hühner, denn nur sie gackern so schön, wenn das Ei bereitliegt.” So ein Satz, gefallen auf dem jährlichen Forum der Schweizerischen Managementgesellschaft, ist typisch für Natale – besser bekannt als “Oscar” – Farinetti. Der Italiener ist Manager und Investor und rührt derzeit die Werbetrommel für seine angesagte Restaurantkette Eataly, die im oberen Marktsegment angesiedelt ist. Daneben ist der 61-Jährige, der in Kürze, am 24. September, Geburtstag hat, Gründer der Konsumelektronikkette Unieuro. Erfolg mit Eataly-RestaurantsDer Sohn eines Partisanen-Hauptmanns, wie er stolz zu erzählen pflegt, kokettiert gerne mit der Vergangenheit – mit dem Rinascimento zum Beispiel, der Zeit der wirtschaftlichen und kulturellen Hochblüte Italiens vor 500 Jahren. Doch ein Nostalgiker ist er deswegen noch lange nicht, vermutlich hat er nicht einmal eine besonders romantische Ader.Farinetti ist ganz der pragmatische Händler geblieben, der er schon in jungen Jahren war. Damals in den späten siebziger Jahren baute er den kleinen Lebensmittelsupermarkt seines Vaters in ein Geschäft für Haushaltgeräte und Heimelektronik um. Innerhalb eines guten Jahrzehnts eröffnete er 200 Filialen im ganzen Land und avancierte zum Branchenprimus. 2002 verkaufte er die Kette an den britischen Wettbewerber Dixons und erlöste dafür jene 500 Mill. Euro, die er kurz darauf in sein Eataly-Projekt zu stecken begann. So viel Geld sollen die Gastrobetriebe nun bereits in einem Jahr umsetzen. 5 000 Leute haben in dem Unternehmen Arbeit gefunden, einschließlich der drei Söhne des Patrons, die alle schon leitende Positionen besetzen.Das Erlebnis, das Farinetti den Kunden seiner zahlreichen Food- und Gastrotempel rund um die Welt vermitteln will, kommt offenbar bestens an. 15 000 standen Schlange, als Eataly vor zwei Wochen das erste Lokal in New York eröffnete. Wahrhaftig ein Kunststück in dieser verwöhnten und schnelllebigen Metropole – der größten italienischen Stadt außerhalb Italiens, in der das italienische Essen längst kein Novum mehr ist. Schließlich verkauft sich Italien im Ausland als homogenes Feinschmeckerparadies – das es nicht ist – weit besser und effizienter denn als Hort einer vielseitigen Regionalküche. Und auch in den über 30 Eataly-Lokalen, die man von Rom über Istanbul, Dubai, Seoul, Japan und Nordamerika auf dem ganzen Globus antrifft, bleiben Klassiker wie die “Pizza Romana” aller Vielfalt zum Trotz der große Renner. Nächstes Jahr an die BörseFarinetti will die Zahl der Filialen von Eataly noch einmal verdoppeln und im kommenden Jahr voraussichtlich in Lausanne auch sein erstes Lokal in der Schweiz eröffnen. Im gleichen Jahr will er die Firma in Mailand an die Börse bringen, um dabei vermutlich auch einen schönen Teil seiner Anteile zu versilbern. Nicht, dass er das Geld zu horten beabsichtige. Ein neuer großer Agro- und Gastropark in Bologna, “Fabbrica Italiana Contadina” oder kurz “Fico” genannt, ist bereits am Entstehen. Dereinst sollen dort fünf Millionen Touristen im Jahr erleben können, wie Oliven, Getreide und Früchte wachsen, verarbeitet werden und wie sie auf dem Teller schmecken. Ein Riesenprojekt mit einer Anschubinvestition von 60 Mill. Euro.Farinetti kultiviert einen Optimismus, der weit über seine eigenen Geschäfte hinausgeht. “Italien braucht sich nur auf die eigenen Stärken zu besinnen, denn das ungenutzte Potenzial ist unglaublich groß.” Und hier spricht der Politiker, der Freund von Ministerpräsident Matteo Renzi, der auch schon als möglicher Landwirtschaftsminister im Gespräch war (eine Idee, die er weit von sich weist). “Es wäre ein Kinderspiel, den Tourismus in unserem Land zu verdoppeln”, sagt er und hält wieder einmal ein paar dieser Vergleiche bereit, auf die auch jene Kreise nicht so schnell eine Antwort haben, die Farinetti als notorischen Daueroptimisten und Dampfplauderer kritisieren. “Wir haben jährlich knapp 50 Millionen Besucher im Land – gleich viele wie Manhattan. Sizilien hat 1 428 Kilometer Küste und fünf Millionen Touristen. Die Kanarischen Inseln haben 1 437 Kilometer Küste und 58 Millionen Touristen – was soll das?” Und er geht noch weiter: “Nehmen Sie Rimini und Riccione. Dieser Küstenabschnitt ist 21 Kilometer lang, und das Meer ist so hässlich wie nirgends in Europa. Aber es kommen jedes Jahr 22 Millionen Touristen.”Farinettis Rezepte tönen auch hier reichlich simpel: “Geht nach Rimini, schaut auch an, wie die das machen, und macht es selber nach”, pflege er den Sizilianern zu sagen. “Aber kopiert auch, dass die in Rimini um 6.30 Uhr in der Früh aufstehen und sich Tag für Tag auf die Hinterbeine stellen!” Es gehe letztlich darum, sich anzustrengen und im Marketing innovativ zu sein.Ob Regierungschef Renzi mit diesem Tipp etwas Konkretes anzufangen weiß? Einmal in Fahrt gekommen, wirbelt Farinetti weiter: Die Exporte von Nahrungsmitteln seien zu verdoppeln – “mindestens”. Kleider, Feinmechanik, Design – alles mal zwei. Sein Trommelnschlagen für das Potenzial des Standorts Italien kennt kein Halten mehr: “Unser Land ist voller guter Kleinbetriebe. Wir müssen zusammen die Kraft finden, uns in der Welt zu positionieren – dann werden wir automatisch das reichste Land Europas.” Wegweisendes ReferendumDoch die italienische Wirtschaft will auch nach drei Jahren der Rezession nicht richtig in Schwung kommen. Das Land scheint blockiert, der anfängliche Elan der Regierung Renzi verflogen. Plötzlich wirkt Farinetti so ernst wie noch nie im Gespräch: “Das Referendum über die Verfassungsreform im November ist die Wegkreuzung. Sagen wir ja, geht es schnell aufwärts, sagen wir nein, fallen wir zurück ins Mittelalter.”