De Margeries Tod bewegt Frankreich
Von Gesche Wüpper, ParisEr galt als Freigeist, als Mann klarer Worte, als engagierter Arbeitgeber – Christophe de Margerie, Chef des französischen Ölkonzerns Total, der bei einem Flugzeugunglück in Moskau ums Leben gekommen ist. Der Falcon-Businessjet des 63-Jährigen prallte auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo in der Nacht zu Dienstag beim Start mit einem Schneepflug zusammen und ging in Flammen auf. Bei dem Unglück starben neben dem einflussreichen Manager, der eine Frau und drei erwachsene Kinder hinterlässt, auch die drei Besatzungsmitglieder des Flugzeugs.Der Tod de Margeries bewegt ganz Frankreich. Zahlreiche Politiker und Wirtschaftsgrößen ehrten den Chef des mit einer Marktkapitalisierung von 105 Mrd. Euro zweitgrößten börsennotierten Konzerns des Landes nach Sanofi. Er sei bestürzt und traurig, teilte Präsident François Hollande mit. Er habe de Margerie wegen seines unabhängigen Charakters, seiner Persönlichkeit und seinem Eintreten für Frankreich geschätzt. “Frankreich hat einen Ausnahme-Firmenchef verloren”, erklärte Premierminister Manuel Valls.Er sei ein Mann mit Visionen und Ambitionen gewesen und hätte nicht das typische Profil eines CAC-40-Chefs gehabt, sagte die frühere Arbeitgeberpräsidentin Laurence Parisot mit bewegter Stimme im Radio. De Margerie sei sich zwar nicht immer einig mit den Grünen gewesen, aber er habe den Mut gehabt, ehrliche und respektvolle Debatten zu führen, schrieb Ex-Energie- und Umweltministerin Cécile Duflot. “Christophe war ein Mann mit starken Werten und Meinungen, die er verteidigt hat”, erklärte Airbus-Group-Chef Tom Enders. “Und er war ein Freund.” Beliebter ManagerDer Enkel von Pierre Taittinger aus der gleichnamigen Champagner-Dynastie war nicht unumstritten, da Total in Umweltskandale wie das Unglück des Öltankers Erika vor der bretonischen Küste 1999 verwickelt war. Doch war er wegen seiner offenen, lebensfrohen Art beliebt und respektiert. Er sei sehr zugänglich gewesen und habe viel Wert auf den sozialen Dialog gelegt, lobten Gewerkschaftsführer.Christophe Gabriel Jean Marie Jacquin de Margerie lautete sein offizieller Name. Doch in Frankreich war der Manager, der im Sommer 2013 in einem Korruptionsprozess zum früheren Irak-Hilfsprogramm “Öl gegen Lebensmittel” zusammen mit dem ehemaligen französischen Innenminister Charles Pasqua und 18 anderen Angeklagten freigesprochen wurde, wegen seines markanten Schnauzbartes eher unter dem Spitznamen “Big Moustache” bekannt.Im Gegensatz zu anderen französischen Konzernchefs hat de Margerie nicht an den Kaderschmieden ENA (École Nationale d’Administration) oder Ecole Polytéchnique studiert, sondern an der Wirtschaftshochschule ESC Paris. Anschließend begann er 1974 in der Finanzabteilung von Total, wo er 1995 zum Chef der Region Mittlerer Osten aufstieg. 2007 schließlich wurde er Generaldirektor des Ölkonzerns, dessen Aufsichtsratsvorsitzender er 2010 zusätzlich wurde. Nach enttäuschenden Halbjahresergebnissen senkte er im September die Produktionsziele. Bereits zuvor hatte er angekündigt, sich von Unternehmensanteilen im Wert von 25 Mrd. Dollar trennen zu wollen.Wer den begeisterten Segler und Skifahrer, der der Bilderberg-Gruppe angehörte, ersetzen wird, stand gestern noch nicht fest. Der Verwaltungsrat werde so schnell wie möglich tagen, erklärte Total-Generalsekretär Jean-Jacques Gibauld. Bei der Auswahl des Nachfolgers dürfte Ex-Konzernchef und Verwaltungsratmitglied Thierry Desmarest, 68, eine Schlüsselrolle spielen, heißt es. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten der 1963 geborene Patrick Pouyanné, Chef der Sparte Raffinerie-Chemie, und Philippe Boisseau, Chef der Sparte Marketing/Erneuerbare Energien, Jahrgang 1962. Arnaud Breuillac, Jahrgang 1958, werden weniger Chancen eingeräumt, da er erst seit Januar die Sparte Produktion/Förderung leitet.