Der falsche Mann für Knorr-Bremse
Von Joachim Herr, MünchenBernd Eulitz wirkt ein wenig steif, aber sympathisch, unaufgeregt und verglichen mit vielen anderen Managern geradezu irritierend zurückhaltend. Sein nachdenkliches, überlegtes und zögerliches Wesen ist dem 54-Jährigen als Vorstandsvorsitzender von Knorr-Bremse zum Verhängnis geworden. Nach nur zehn Monaten muss der Diplom-Ingenieur gehen, der zuvor 15 Jahre für Linde tätig war. Davon die letzten knapp fünf Jahre als Vorstand und noch ein halbes Jahr nach der Fusion mit Praxair von den USA aus.In der am späten Mittwochabend veröffentlichten Mitteilung begründet Knorr-Bremse die Trennung “in gegenseitigem Einvernehmen” in ungewöhnlich offener Weise mit “tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten zu Fragen der Führung und der aktiven Gestaltung unternehmerischer Belange”. Dies habe zu einer wachsenden Belastung zwischen Eulitz und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Mangold (77) geführt.Die Trennung von Eulitz begründet Mangold im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zugespitzt formuliert damit, dass Eulitz seiner Hauptaufgabe nicht gerecht geworden sei. Der Vorstandsvorsitzende ist für die Strategie verantwortlich. “Dabei geht es um Akquisitionen, aber auch um die ganz normale, dynamische Weiterentwicklung und um die Wachstumsstrategie”, sagt Mangold. Auf Impulse von Eulitz wartete er vergeblich. Die Coronakrise lässt Mangold nicht als Ausrede gelten: “Aus meiner Erfahrung weiß ich, abwarten ist selten zielführend.” Schließlich veränderten sich die Märkte rasant und Krisen böten auch Chancen.Auf den machtbewussten Klaus Deller, der im September 2019 nach einem Zerwürfnis im Vorstand hatte gehen müssen, war Eulitz mit seinem Teamgeist gefolgt und rasch gescheitert. “Herr Eulitz ist ein begnadeter Moderator und Teamplayer”, formuliert es Mangold. “Aber das schließt ein klares Führungsverständnis ja nicht aus.” Vermutungen, die zwei Vorstände der beiden Sparten Schienen- und Nutzfahrzeuge hätten Eulitz ins Abseits gestellt, hält Mangold entgegen: “Das würde ich nicht so sehen.” Auch interne KandidatenPeter Laier (52), der seit 2016 für die Nutzfahrzeugsparte verantwortlich ist, macht den Eindruck, sehr ambitioniert zu sein – zuletzt auf der Hauptversammlung Ende Juni. Der Aufsichtsrat hat nun sowohl externe als auch interne Kandidaten im Blick und erwartet, dass die “begonnenen Gespräche für die Nachfolge in den nächsten Wochen abgeschlossen werden können”.Nach den Erfahrungen mit Deller und Eulitz dürfte der Aufsichtsrat anstreben, einen Vorstandsvorsitzenden zu finden, der die Stärken der beiden Vorgänger vereint und ihre Schwächen vermeidet. “Leadership-Anspruch und Teamgeist schließen sich nicht aus”, meint Mangold. “Ein guter Leader kann ein Team zu Höchstleistungen antreiben.”Dann ist da noch die Frage, welche Rolle Heinz Hermann Thiele beim Rauswurf von Eulitz spielte. In dem Konzern geht fast nichts ohne den 79 Jahre alten Mehrheitsaktionär und früheren Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden, wie noch und immer wieder aus dem Unternehmen zu hören ist. Auf die Frage, ob Thiele Mangolds Einschätzung über Eulitz teile, antwortet Mangold, davon könne man ausgehen. Die Entscheidung im Aufsichtsrat sei nicht leicht, aber einstimmig gefallen.Thiele ist seit der Hauptversammlung Ende Juni wieder im Kontrollgremium von Knorr-Bremse. Es scheint, als ziehe Thiele immer noch alle Fäden, schreiben Analysten der Deutschen Bank in einem Kommentar zum Abgang von Eulitz. Auch andere Aktienexperten äußern Bedenken an der Unternehmensführung. Mangold versucht diese zu zerstreuen: “Die Sorge ist unbegründet. Der Aufsichtsrat achtet natürlich sehr auf gute Unternehmensführung.” Er fügt hinzu, zuletzt seien neben Thiele zwei “Schwergewichte” in den Aufsichtsrat gewählt worden: Thomas Enders, der frühere CEO von Airbus, und Theodor Weimer, der Vorstandschef der Deutschen Börse. Lobeshymne auf ThieleAuf dem Aktionärstreffen hatte Eulitz Thiele noch geradezu gehuldigt: “Seine strategische Weitsicht hat das Unternehmen nicht nur zu einem Weltmarktführer und international führenden Industrieunternehmen gemacht, sondern auch für den Kapitalmarkt bestens aufgestellt.” Schon in der Jahrespressekonferenz im März war Eulitz mit einer Lobeshymne aufgefallen und hatte Thieles 50-jähriges Firmenjubiläum als einen der Höhepunkte im vergangenen Jahr bezeichnet.Doch das Anbiedern genügte nicht. Dabei wollte Eulitz nicht wie etliche Vorgänger auf einem Schleudersitz landen. Er hatte geglaubt, alle Verantwortlichen des Unternehmens hätten begriffen, dass Knorr-Bremse Stabilität in der Führung brauche. Nun ist die Liste der Geschassten um den Namen Eulitz länger. Auch er geht mit einer Abfindung. Die macht weniger als zwei Jahresgehälter – die vom Corporate Governance Kodex empfohlene Obergrenze – aus, wie zu hören ist.