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Der Franken-Dompteur

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 1.6.2016 Michael Piepers Meinung hat Gewicht in der Schweiz. Der Mann ist Großindustrieller und erfolgreicher Investor dazu. Im vergangenen Jahr, exakt zu dieser Zeit, prophezeite er "der gesamten Schweizer...

Der Franken-Dompteur

Von Daniel Zulauf, ZürichMichael Piepers Meinung hat Gewicht in der Schweiz. Der Mann ist Großindustrieller und erfolgreicher Investor dazu. Im vergangenen Jahr, exakt zu dieser Zeit, prophezeite er “der gesamten Schweizer Exportwirtschaft” in einem Interview “ein Blutbad”, wenn sich der Euro zum Franken nicht erholen sollte. Zugegeben, die Erholung hat teilweise stattgefunden. Seit August 2015 oszilliert der Eurokurs bei rund 1,09 Franken. Das ist sicher besser als zu der Zeit, als Pieper bei jedem Blick auf die Devisenkurse eine Gänsehaut bekam. Aber der Kurs ist immer noch weit unter dem alten Schwellenwert von 1,20 Franken.Pieper glaubt auch heute noch, dass die Nationalbank falsch gehandelt hat. Sie hätte den Mindestkurs schrittweise aufheben müssen, sagte er gestern am Rande der Pressekonferenz seiner Artemis Gruppe in Zürich. Doch der 70-Jährige räumte auch ein, dass er die Lage damals allzu pessimistisch beurteilt habe.Was Pieper (und dessen Konzernchef Alexander Zschokke) in der eigenen Franke Gruppe – dem industriellen Herz von Artemis – gelungen ist, hatte er anderen Exportunternehmen in der Schweiz offenbar nicht ganz zugetraut. Der Küchenbauer, der seine Systeme für den privaten und gewerblichen Gebrauch, mit Armaturen, Backöfen und vollautomatischen Kaffeemaschinen für die Gastronomie auf der ganzen Welt verkauft, musste sich 2015 mächtig strecken. Der Frankenschock hat dem Unternehmen zugesetzt. Das zeigt der Umsatzrückgang um 6,5 % auf 2 Mrd. sfr. Doch deshalb ist der Gewinn nicht eingebrochen – im Gegenteil: Er ist sogar um über 50 % auf 117 Mill. sfr gestiegen. Nicht verhehlen wollte der Patron, dass ein Firmenverkauf das Ergebnis kräftig aufpoliert hat. Dennoch verbirgt sich hinter der Zahl eine eindrückliche industrielle Leistung. Franke habe 2015 weltweit beträchtliche Produktivitätssteigerungen erreicht und das nicht zuletzt in der Schweiz, wo der Konzern immer noch 12 % seiner weltweit knapp 9 000 Beschäftigten zählt und mehrere Fabriken betreibt. Bei Kaffeemaschinen war die Innovation besonders hilfreich. Die Lancierung einer neuen Maschinenserie ließ die Verkäufe um ein Fünftel steigen. Gleichzeitig wurden die Montageprozesse verbessert und die Wertschöpfungstiefe in der Schweiz noch stärker auf Kernprozesse reduziert. Im Endeffekt resultierte eine Steigerung der Produktivität um spektakuläre 70 %. Dank dieser Leistung habe man die Zahl der Beschäftigten im Inland stabil halten können. Ähnliche Leistungen gelangen in der inländischen Armaturenfabrikation sowie in der Herstellung der traditionellen Spültische, mit denen Franke einst groß geworden ist und die zu einem bedeutenden Teil noch in der Schweiz stattfindet.Die Erfolgsgeschichte von Franke müsste der Nationalbank wie Musik in den Ohren klingen, wenn es da nicht noch jene Nebengeräusche gäbe, die Piepers Pessimismus mindestens teilweise stützen. Für Zulieferbetriebe, die im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten keinen wirklich starken Mehrwert zu bieten hätten, sei es in der Schweiz sehr kalt geworden. “Ich sehe nicht mehr so schwarz wie vor einem Jahr, aber ich sehe immer noch schwarz”, sagte Pieper mit Blick auf die Erfahrungen in seinem industriellen Umfeld. Blick aufgehelltMöglicherweise hat aber auch die Börse Piepers Blick etwas aufgehellt. Der Unternehmer besitzt neben der Franke Gruppe und einem umfangreichen Immobilienbestand substanzielle und teilweise beherrschende Beteiligungen an acht Unternehmen, von denen sechs an der Schweizer Börse notiert sind. Bei diesen Industriefirmen, zu denen der Textilmaschinenhersteller Rieter, die Automobilzulieferer Feintool, Autonemum und Adval Tech sowie die Gebäudeausstatter Forbo und AFG gehören, haben die Piepers gemessen am aktuellen Marktwert 1,5 Mrd. sfr im Feuer. Damals, unmittelbar nach dem Frankenschock, war dieser Wert deutlich niedriger. Solche Schwankungen lassen offenbar auch einen weitsichtigen Unternehmer wie Pieper nicht ganz kalt.