Der Mann, der Apple und Microsoft kleinredet
Von Daniel Schauber, FrankfurtLiegt es an dem sperrigen Namen ASML, dass der Chipindustrieausrüster so wenigen geläufig ist? An den Produkten der Niederländer, die nur Spezialisten kennen? Oder vielleicht auch ein bisschen an CEO Peter Wennink selbst, der nicht allzu viel tut, um den Konzern spektakulär in die Schlagzeilen zu bringen? Der 1984 als Joint Venture von Advanced Semiconductor Materials und Philips entstandene Maschinenbauer ist ja nicht gerade eine kleine Nummer: Mit rund 40 Mrd. Euro Marktkapitalisierung bringt der Hoflieferant der Chipindustrie an der Börse mehr Gewicht auf die Waage als die Dax-Werte RWE und Eon zusammen.Dennoch scheint dem 57-jährigen Niederländer und Vater zweier Kinder, der ein geschliffenes, fast akzentfreies Englisch spricht, das Rampenlicht abhold. Der grauhaarige Mann, der aus einer großen katholischen Familie mit sechs Kindern stammt und Privates auch privat lässt, ist das Gegenteil einer schillernden Figur. Gelernter BücherrevisorDer Niederländer kam über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, wo er auf Halbleiterindustriezulieferer spezialisiert war, 1999 zu ASML. Er startete direkt als Finanzchef bei dem Hightech-Konzern, der damals mit 1 Mrd. Euro Umsatz noch viel kleiner war als heute mit knapp 6 Mrd. Euro. Als gut eine Dekade später ein neuer Vorstandschef gebraucht wird, sucht man auch extern, aber der Zahlenmensch und gelernte Bücherrevisor Wennink setzt sich als interner Kandidat im Rennen um den Topjob, den er angeblich schon länger im Auge hatte, durch. “Ich werde keine größeren Änderungen an der Strategie vornehmen”, erklärte er kurz nach seiner Ernennung. Schließlich sei ASML ja eine sehr erfolgreiche Gesellschaft. Kontinuität und sanfter Übergang, wenn der Chefwechsel Mitte 2013 ansteht – das war die Botschaft.Tatsächlich gab es damals genug Beobachter, die den lange boomenden Konzern aus Nordbrabant vor einem enormen Umbruch sahen. Denn der Trend zu mobilen Internet-Endgeräten wie Smartphones und Tablet-PCs machte den Chiplieferanten für Notebooks und PCs und ihren Ausrüstern gewaltige Kopfschmerzen. Während die mobilen Geräte boomten, schien das baldige Ende des Desktop-PC eingeläutet – ein Trugschluss, wie man heute weiß. ASML hätte eine drastische Verschiebung der Gewichte im Chipmarkt ordentlich durchgeschüttelt. Die Niederländer beliefern 80 % aller Chiphersteller weltweit, heißen sie nun Samsung oder Intel, und der weltweite Marktanteil beträgt zwei Drittel. Den Rest teilen sich die US-amerikanische Ultratech sowie die japanischen Kamerahersteller Canon und Nikon, die ebenfalls Anlagen für die Fotolithografie bauen – also jene Technik, bei der mit Hilfe von Licht und Chemie die winzigen Schaltkreise auf einer Siliziumscheibe entstehen. “Wir bestimmen die Zukunft”Diese enorme Marktmacht des Konzerns aus Veldhoven flößt nicht nur dem Unternehmen Selbstbewusstsein ein, sondern auch seinem CEO. Die markigen Worte “Nicht Apple oder Microsoft bestimmen die Zukunft, sondern wir” werden Wennink zugeschrieben. Und via “Financial Times” gab er auch schon mal der heimischen Regierung gute Ratschläge. Wirtschaftlich seien die Niederlande zu wenig fokussiert, monierte er 2010. Sie sollten sich auf Tätigkeiten konzentrieren, in denen sie gut seien: Wasser- und Biotechnologie sowie – selbstredend – Halbleitertechnik. Dass auch das hoch volatile Computerchipgeschäft nicht immer rund läuft, weiß der Manager allerdings nur zu gut: Als in der Finanzkrise in den ASML-Fabrikhallen gespenstische Stille herrschte, musste Wennink noch die Hilfe des Staates annehmen, den er wenig später so hart kritisieren sollte.