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Der späte Triumph des Stefan Messer

Von Walther Becker, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.7.2018 Noch ist Stefan Messer nicht am Ziel, aber es sieht gut aus für den Chef des größten privat geführten Industriegasespezialisten. "Was die Familie in 100 Jahren aufgebaut hat, will ich...

Der späte Triumph des Stefan Messer

Von Walther Becker, FrankfurtNoch ist Stefan Messer nicht am Ziel, aber es sieht gut aus für den Chef des größten privat geführten Industriegasespezialisten. “Was die Familie in 100 Jahren aufgebaut hat, will ich bewahren”, lautet sein Credo. Und der 63-Jährige kann nun in die Geschichte des traditionsreichen Frankfurter Unternehmens als derjenige eingehen, der die 1898 gegründete Firma wieder in Richtung alter Größe führt – gemeinsam mit der Beteiligungsgesellschaft CVC. Mit Finanzinvestoren hat er Erfahrungen gesammelt, gehörten doch zwei Drittel des Geschäfts von 2001 an einige Jahre nach dem bis dahin wohl größten Buy-out in Deutschland zu Allianz Capital Partners und Goldman Sachs. Diese schafften dann 2004 für 2,7 Mrd. Euro Kasse mit dem Verkauf an den französischen Linde-Rivalen Air Liquide. Das Geschäft war längst zweigeteilt worden, die Schweißtechnik war abgetrennt. Als Jürgen Dormann die damalige Hoechst AG zum reinen Life-Sciences-Unternehmen umbauen wollte, war für Industriegase kein Platz mehr. Messer Griesheim – 1965 hervorgegangen aus der Hoechst-Tochter Knapsack Griesheim und Messer – ging für 618 Mill. Euro an das Private-Equity-Duo, Stefan Messer wurde Geschäftsführer. Er ließ sich dabei eine Kaufoption in den Vertrag schreiben und zog sie. Um die Finanzierung zu stemmen, musste er vom angestammten deutschen Geschäft lassen. Seine Gruppe behielt die Märkte in China, Peru und 26 Ländern Europas. Von einem Anbieter im Weltmaßstab verabschiedet er sich damit. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der drei größeren Landesgesellschaften zahlte er die Finanzinvestoren für ein Drittel des Gesamtgesamtgeschäfts aus. Etwa 1,4 Mrd. Euro kostete ihn der Coup. Kleiner NeustartIn Deutschland darf er seit 2007 wieder Industriegase verkaufen – hier wurde ganz klein der Neuanfang begonnen. Größer als Messer ist nach Linde, Air Liquide und den anderen Branchenriesen etwa Westfalengas. On Site werden etwa die Deutschen Edelstahlwerke in Siegen beliefert oder Salzgitter. Mit dem möglichen Linde-Deal kann Messer nun wahrscheinlich einen späten Triumph feiern. Auch die kleinere Schweißtechnik, die der Finanzinvestor Carlyle zwischenzeitlich saniert und mit M & A gestärkt hatte, kaufte der verheiratete Vater von vier Kindern zurück. Eine Krebserkrankung hat er längst überwunden. Sein Start ins Berufsleben war holprig. Das Studium brach er ab, jobbte hier und da und ließ sich von IBM zum Industriekaufmann ausbilden. 1979 trat der Sohn von Hans Messer in die Firma ein und kam 1998 in die Geschäftsführung – und immer wieder gab es vor und hinter den Kulissen heftige Auseinandersetzungen mit den Hoechstern und dem damaligen CEO Herbert Rudolf. Die schüttelte er erst mit Private Equity ab. Die Gruppe steht heute (Angaben für 2017) für einen Umsatz von 1,2 Mrd. Euro und ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 290 Mill. Euro. Sie stellt Gase wie Sauerstoff, Stickstoff, Argon und Helium her und liefert sie in diverse Branchen sowie an Krankenhäuser. Etwa 5 700 Frauen und Männer sind für das inhabergeführte Unternehmen aus Bad Soden tätig. Mehr als 2 000 davon sind es in Asien, etwas weniger in Zentral- und Osteuropa. In Westeuropa kommt Messer auf 1000 Beschäftigte, darunter 250 in der Zentrale.Messer steht seit 2004 als CFO mit Dr. Hans-Gerd Wienands ein ehemaliger Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zur Seite. Dem Aufsichtsrat sitzt der Familienunternehmer Dr. Jürgen Heraeus vor. Dem Gremium gehören unter anderem Lanxess-Vorstand Dr. Werner Breuers an, Dr. Nathalie von Siemens als Sprecherin der Siemens-Stiftung sowie Dr. Gerhard Seifert – der Chemiker war zu Hoechst-Zeiten Widersacher des damaligen CEO Jürgen Dormann. Neben dem Beruf ist Stefan Messer unter anderem Konsul von Slowenien, Ehrensenator der Unis Darmstadt und Frankfurt sowie Vizepräsident der IHK-Frankfurt. Und er mag moderne Kunst.