Der umtriebige Herr McSweeney
Der umtriebige Herr McSweeney
von Andreas Hippin, London
Morgan McSweeney (47) ist vermutlich der mächtigste Mann in Großbritannien, den kaum jemand kennt. Der zuweilen schüchtern wirkende Stabschef von Premier Keir Starmer wird gerne mit dem Brexit-Strategen Dominic Cummings oder dem Tory-Wahlkampfberater Isaac Levido verglichen, der Boris Johnson 2019 einen Erdrutschsieg bescherte.
Doch anders als die beiden Spindoktoren der Rechten ist McSweeney vor allem Parteisoldat. Der gebürtige Ire sorgt dafür, dass die Regierung nicht auseinanderfällt, wenn Starmers Stellvertreterin Angela Rayner erklärt, der Parteichef könne sich nicht einmal selbst ein Bad einlassen. Er stellt sicher, dass die Überbleibsel der radikalen Linken, die es in der Partei noch gibt, ihre Politik nicht mehr bestimmen.
Sieg über Sue Gray
Im Oktober verdrängte er die ehemalige Spitzenbeamtin Sue Gray, die zunächst als Starmers Chief of Staff fungiert hatte. Es war ein Musterbeispiel für das, worauf sich McSweeney versteht: die dunkle Seite der politischen Kommunikation. Da wurden reichlich Interna aus 10 Downing Street durchgestochen, die Gray beschädigen sollten. Angeblich habe sie McSweeneys Schreibtisch immer weiter von Starmers Büro wegrücken lassen.
Veteranen der Politberichterstattung fühlten sich bereits an die über die Medien ausgetragenen Grabenkämpfe zwischen dem ehemaligen Labour-Premier Gordon Brown und seinem Schatzkanzler Alistair Darling erinnert. Am Ende blieb Gray nur der Rücktritt.
Von der Baustelle in die Labour-Zentrale
McSweeney kam 1994 nach London arbeitete zunächst auf Baustellen. Er studierte Marketing und Politik an der Middlesex University. Labour-Mitglied wurde er 1997. Vier Jahre später fing er in der Parteizentrale unter Peter Mandelson an. Der auch als „Prince of Darkness“ bekannte Spindoktor Tony Blairs fungiert unter Starmer als US-Botschafter.
Dann arbeitete er für Steve Reed, den damaligen Chef der Lokalverwaltung des Londoner Stadtteils Lambeth und heutigen Umweltminister. Lambeth war einmal eine Hochburg der radikalen Opposition gegen Margaret Thatcher. Nachdem „New Labour“ sich dort gegen die „Trotzkisten“ durchgesetzt hatte, verlor die Partei die Wahlen. McSweeney sollte ihn zurückgewinnen.
Erster Erfolg in Lambeth
Und er schaffte es, die Lokalverwaltung 2006 zurückzuerobern – in einer Wahl, bei der Labour in anderen Stadtteilen der britischen Metropole die schlechtesten Ergebnisse seit 1968 einfuhr. Reed machte ihm daraufhin zu seinem Chief of Staff.
Doch wurden ihm schon zwei Jahre später seine Grenzen aufgezeigt: Die Partei zog den charismatischen Chuka Umunna als Kandidaten für den Unterhaussitz für den Wahlkreis Streatham vor.
Labour Together
In den Stadtteilen Barking und Dagenham schaffte McSweeney es, die rechtsextreme British National Party zurückzudrängen. Dort traf er Jon Cruddas. Der Unterhausabgeordnete war ein weiterer Mentor für ihn. Später gründeten Reed und er die Initiative Labour Together, um die Parteilinke um Jeremy Corbyn niederzuringen.
Er überzeugte Abgeordnete, in der Partei zu bleiben und auf Corbyns Sturz zu warten. Dem „Guardian“ zufolge war schon bei einem Pressedinner nach den Wahlen von 2015 klar, dass Labour Together Starmer zum Nachfolger an der Parteispitze machen wollte.
Niederlage für die Corbynistas
McSweeney machte sich mit großem Erfolg daran, ihm in den parteiinternen Auseinandersetzungen mit Corbyns Anhängern zum Sieg zu verhelfen. Er sorgte dafür, dass Rebecca Long-Bailey aus Starmers Schattenkabinett verschwand. Sie musste gehen, nachdem sie auf ihrem Twitter-Feed ein Interview der Schauspielerin Maxine Peake, das eine antisemitische Verschwörungstheorie beinhaltete, weiterverbreitet hatte.
Allerlei Geschäftsordnungstricks und Winkelzüge verhalfen den Nachfahren von „New Labour“ zum Durchbruch. Am Ende wurde Corbyn aus der Partei ausgeschlossen. McSweeneys Strategie ermöglichte Labour, sich von der katastrophalen Wahlniederlage 2019 zu erholen und im Juli vergangenen Jahres mit einer enormen Mehrheit die Regierung zu übernehmen.
McSweeneys Eltern waren Aktivisten der christdemokratischen irischen Partei Fine Gael. Der Labour-Stratege ist nicht das einzige Mitglied seiner Familie, das eine politische Führungsposition innehat. Seine Frau Imogen Walker ist die Labour-Unterhausabgeordnete für den schottischen Wahlkreis Hamilton & Clyde Valley. Die beiden haben einen Sohn.
Seine Cousine Clare Mungovan ist eine Beraterin des irischen Premierministers Simon Harris (Fine Gael).