Der undiplomatische EU-Kommissar
Der undiplomatische EU-Kommissar
fed Frankfurt
Thierry Breton hat einmal mehr durch öffentliche Äußerungen eine hitzige Debatte vom Zaun gebrochen. Es ist gewiss nicht das erste Mal, dass der Franzose durch polterhafte Aussagen oder Ansagen die öffentliche Diskussion befeuert. Anders als in der Vergangenheit hat er damit aber umgehend extrem scharfe Reaktionen provoziert.
Den unflätigsten und derbsten Reflex sonderte US-Milliardär und Unternehmer Elon Musk ab, indem er in Bezugnahme auf Breton ein Meme mit dem „F-Wort“ auf der Plattform X sendete. Der EU-Kommissar, zuständig für Binnenmarkt, Industrie und Dienstleistungen sowie Raumfahrt, hatte zuvor – wenige Stunden vor dem Gespräch von Musk und US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump auf X – in einem Brief auf die EU-Vorgaben zu den Sorgfaltspflichten großer sozialer Netzwerke mit Blick auf schädliche Inhalte und Desinformation hingewiesen.
Kontroverse mit Musk
Insbesondere der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Briefs von Breton – offensiver Weise ebenfalls über die Plattform X – hat mittlerweile eine Kontroverse über die Vorwürfe der Zensur und der unlauteren Einmischung der EU-Kommission in den US-Wahlkampf losgetreten. Der frühere Botschafter der USA in Deutschland während der Amtszeit von Trump, Robert Grenell, wird von Informationsdienst Politico im Hinblick auf die Meinungsfreiheit in der EU mit einem besonders provozierenden Vergleich zitiert – nämlich mit China.
Bemerkenswerterweise konzentriert sich die Debatte über Bretons Zeigefingerbrief an Musk vor allem auf die Frage, ob und inwieweit sich der Franzose darüber mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abgestimmt habe. Eine Sprecherin der EU-Behörde stellte auf Anfragen klar, dass, „was Zeitpunkt und Wortlaut angeht“, das Schreiben weder mit der Deutschen noch mit den anderen EU-Kommissaren abgesprochen gewesen sei. Selbst wenn Breton in der Sache, nämlich in einer unmissverständlichen Ansage an Musk und dessen teilweise libertäre Vorstellungen von Meinungsfreiheit, bei einigen Kollegen innerhalb der EU-Kommission Zustimmung finden dürfte: Diese vorsichtige Distanzierung von der Leyens heizt nun allerlei Spekulationen an, dass es Breton dieses Mal mit seiner undiplomatischen Art zu weit getrieben haben könnte. Schließlich ist die Besetzung und Rollenverteilung der künftigen EU-Kommissare mitten im Gange. Auch wenn die Auswahl der Personen und Posten jenseits der Öffentlichkeit stattfindet, so galt es bisher als gesicherte Vermutung, dass Breton erneut ein gewichtiges Ressort ansteuert. Das jüngste verbale Armdrücken mit Musk dürfte seine Chancen, die Zuständigkeit für das Wettbewerbsressort zu erhalten, zumindest nicht verbessert haben. Zumal Breton erst jüngst den Langmut von der Leyens bereits beansprucht hatte, als er nach ihrer Nominierung beim Kongress der Europäischen Volkspartei über deren Abstimmungsergebnis spottete, allem Anschein nach stehe die christdemokratische Parteienfamilie nicht hinter der Spitzenkandidatin. Breton selbst ist parteilos. Die Partei von Präsident Emmanuel Macron, der ihn nach Brüssel entsandt hatte, zählt zum liberalen Bündnis Renew.
CEO von France Telecom und Atos
Breton wurde seinerzeit nominiert, nachdem das EU-Parlament die Liberale Sylvie Goulard abgelehnt hatte. Er wurde anschließend nur mit hauchdünner Mehrheit akzeptiert, da ihm als ehemaligem Manager zahlreicher Unternehmen Interessenskonflikte unterstellt wurden. Der heute 69 Jahre alte studierte Elektrotechniker und Informatiker war unter anderem CEO von Honeywell Bull, Thomson, France Telecom und Atos. Zudem war Breton zwischenzeitlich auch französischer Finanzminister.