Silvio Berlusconi

Der Urvater der Populisten ist tot

Der mehrfache italienische Ministerpräsident, Parteichef und Unternehmer Silvio Berlusconi ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Es gab wohl kaum einen umstritteneren Politiker als ihn. Mit seinem Populismus läutete er einen tiefen Wandel in der Geschichte Italiens ein.

Der Urvater der Populisten ist tot

Silvio Berlusconi tot

Der Urvater der Populisten ist tot

Mit Silvio Berlusconi verlässt einer der umstrittensten Politiker der Nachkriegsgeschichte Italiens die Bühne

bl Mailand
Von Gerhard Bläske, Mailand

Er konnte nicht von der Macht lassen. Bis zum Schluss wollte Silvio Berlusconi als Chef der Mitte-rechts-Partei Forza Italia die Geschicke Italiens mitbestimmen. Sein Ende kam letztlich überraschend schnell: Der vierfache Premierminister, zigfache Milliardär, Unternehmer, Parteichef und Ex-Präsident des Fußballvereins AC Mailand und zuletzt Präsident von AC Monza starb am Montag im Krankenhaus San Raffaele in Mailand an den Folgen einer Lungenentzündung. Der 86-Jährige war an Leukämie erkrankt und hatte in den letzten Monaten mehr Zeit im Krankenhaus als in einer seiner unzähligen Residenzen verbracht.

So umstritten, so geliebt und gehasst der hemmungslose Populist Zeit seines Lebens war, so sehr war Italien im Moment seines Todes vereint in Trauer. Selbst langjährige Gegner flochten dem zigmal wegen Schmiergeldzahlungen, Bilanzfälschung oder Bestechung Angeklagten Respekt. Verurteilt wurde er nur wegen Steuerhinterziehung.

Der Sohn eines Bankers war ein Selfmademan, der sich neben seinem Jurastudium Geld als Staubsaugerverkäufer und Sänger auf Kreuzfahrtschiffen dazuverdiente und bis zuletzt gern Kostproben seiner Sangeskunst gab. Sein Vermögen machte er als Bauunternehmer in Mailand und baute dann einen der größten Medienkonzerne Europas auf. Über seine Holding Fininvest kontrollierte er die Mehrheit an Media for Europe (MfE), mit fast 30% größter Aktionär von ProSiebenSat.1, 30% der von ihm mitgegründeten Bank Mediolanum und 53% des Medienhauses Mondadori. Außerdem verfügte er über eine Unzahl von Immobilien in Italien, Frankreich und in der Karibik, Immobiliengesellschaften und vieles mehr. Während die unternehmerische Führung von MfE bei seinem Sohn Piersilvio und die von Fininvest und Mondadori bei seiner Tochter Marina liegt, behielt Berlusconi selbst bis zum Schluss die Mehrheit der Anteile seines Imperiums. Sein Vermögen wird auf bis zu 7 Mrd. Euro geschätzt.

Politik aus Geschäftsinteresse

In die Politik ging der Vater von fünf Kindern aus zwei Ehen, der immer wieder mit Skandalen und Affären von sich reden machte, hauptsächlich aus geschäftlichem Interesse. Er manipulierte Gesetze und Regulierungen zugunsten seiner Geschäftsinteressen, etwa indem er Bestimmungen gegen die Medienkonzentration lockerte. Wirtschaftspolitisch steuerte er einen eher liberalen Kurs und versuchte etwa Steuern für Unternehmen und wohlhabende Privatpersonen zu senken, konnte seine Vorstellungen aber nur teilweise umsetzen. Gleiches gilt für Arbeitsmarktreformen. Er trieb die Privatisierung von Unternehmen voran, hatte aber auch dabei nicht immer eine glückliche Hand, etwa bei Telecom Italia oder Alitalia.

Weggefährten bezeichnen ihn als loyal und herzlich. Er konnte aber auch knallhart sein und setzte seine Interessen, die er von ihm bedingungslos ergebenen Vertrauten vertreten ließ, rücksichtslos durch. Mit seinem Populismus und der seichten Unterhaltung seiner Fernsehsender veränderte er die politische und gesellschaftliche Kultur Italiens nachhaltig. Viele Italiener bewundern seine Schlitzohrigkeit und vermeintliche Schlauheit bis heute. Berlusconi scheute auch nie vor persönlichen Beleidigungen und Peinlichkeiten etwa gegenüber Ex-Kanzlerin Angela Merkel oder dem späteren SPD-Chef Martin Schulz zurück. Er umgab sich mit zwielichtigen Freunden wie dem libyschen Diktator Muammar al-Ghaddafi, Ungarns Premier Victor Orban, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan oder Russlands Präsident Wladimir Putin, dem er bis zuletzt die Treue hielt.

Seine letzte Amtszeit als Regierungschef endete Anfang November 2011 unrühmlich: Als Italiens Lage angesichts eines dramatischen Anstiegs des Spread der heimischen Bonds gegenüber deutschen Staatsanleihen unerträglich wurde, musste er gehen. Doch obwohl er zeitweise sogar seine politischen Ämter aufgeben musste, kehrte er immer wieder zurück und trug im Sommer 2022 wesentlich zum Sturz von Premierminister Mario Draghi bei. Damit verhalf er seiner einstigen Ministerin Giorgia Meloni in den Sattel, die seither mit Lega-Chef Matteo Salvini und der Berlusconi-Partei Forza Italia regiert, dabei aber kaum Rücksicht auf Berlusconi nahm.

Der Ex-Premier, liiert mit der 33-jährigen Abgeordneten Marta Fascina, zeigte sich indigniert, konnte aber nichts ausrichten. Der „Cavaliere“, wie er in Italien wegen seines Arbeitsverdienstordens genannt wird, hinterlässt ein schweres Erbe. Wirtschaftlich dürfte alles in der Familie bleiben, politisch dürften Melonis Fratelli d`Italia und Salvini um die Reste seiner Partei streiten.

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