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Die Agenda von Kasper Rorsted

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 29.12.2016 Handballspieler müssen schnell, kraftvoll und zielsicher sein. Kasper Rorsted, einst dänischer Junioren-Nationalspieler, beweist diese Eigenschaften auch als Adidas-Chef. Anfang November kündigte...

Die Agenda von Kasper Rorsted

Von Joachim Herr, MünchenHandballspieler müssen schnell, kraftvoll und zielsicher sein. Kasper Rorsted, einst dänischer Junioren-Nationalspieler, beweist diese Eigenschaften auch als Adidas-Chef. Anfang November kündigte er ein Fitnessprogramm für die US-Marke Reebok an. Da war der 54 Jahre alte Däne gerade einmal seit einem Monat Vorstandsvorsitzender des Sportartikelunternehmens. Nicht lange gefackelt, sondern schnell gehandelt – wie auf dem Spielfeld.Und Rorsted, ausgestattet mit einem Fünfjahresvertrag, visiert wie der Handballspieler ein klares Ziel an: Reebok soll endlich auch in den USA wachsen und damit die Profitabilität verbessern, die weit hinter der Marke Adidas zurückliegt. Andernfalls hat der Zukauf seines Vorgängers Herbert Hainer keine Zukunft mehr in der Adidas-Gruppe. Rorsted verlangt: “Wie in jeder Sportmannschaft muss jedes Mitglied zum Erfolg beitragen.” Irgendwann müsse sich jede Investition auszahlen. Reebok gehört seit elf Jahren zum Konzern.Was der frühere Vorstandschef von Henkel sonst noch mit seinem neuen Arbeitgeber vorhat, will Rorsted im März präsentieren. Einige Eckpunkte seiner Agenda zeichnen sich schon ab. So befasst sich Adidas wie die gesamte Sportartikelindustrie verstärkt mit der Digitalisierung. Das reicht vom Internetauftritt über die Vermarktung in den sozialen Medien bis zur digitalen Steuerung von Prozessen im Unternehmen, die zum größten Teil noch analog ablaufen. Das sind Hebel, um sowohl das Geschäft weiter auszubauen und die Rentabilität zu verbessern.Vor allem der letzte Punkt wird im Kapitalmarkt mit dem Namen Rorsted verbunden. Im Henkel-Konzern erfüllte er diese Aufgabe. Rorsted habe einen klaren Fahrplan, wie sich Adidas besser entwickeln könne, lobt Aktienanalyst Jürgen Kolb von Kepler Cheuvreux.Die Umsatzrendite von Adidas hat jedenfalls noch Luft nach oben – verglichen mit dem Weltmarktführer Nike. In seinem Abschiedsjahr gelang es Hainer, den Abstand auf den amerikanischen Konkurrenten zu verkürzen. Damit steigen die Anforderungen an Rorsted. Mit Sportsgeist und einem Vergleich aus den Fußball-Bundesliga stellt er sich darauf ein: “Ich übernehme lieber den FC Bayern als die Münchner Löwen.” Das heißt: lieber ein Spitzenunternehmen führen als eines, das in der zweiten Liga seit Jahren gegen den Abstieg kämpft.Die gute Entwicklung von Adidas in den vergangenen beiden Jahren hält ihm den Rücken frei. Der neue Adidas-Chef ist nicht gezwungen, sofort einschneidende Entscheidungen zu treffen. Die von Hainer 2015 angestoßene Fünf-Jahres-Strategie “Creating the New” will Rorsted im Wesentlichen fortsetzen. Deren Stellschrauben sind unter anderem Vertrieb, Produktangebot und Marketing. Auch an den hohen Marketingausgaben in USA will Rorsted festhalten, um auf dem größten Sportartikelmarkt der Welt weiter überdurchschnittlich stark zuzulegen und näher an Nike heranzukommen. Die Aktienanalysten der Commerzbank blicken allerdings kritisch auf die Anstrengungen in den USA, da diese an den Margen zehrten.Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Strukturen im Unternehmen mit dem rasanten Umsatzanstieg gewachsen sind. Rorsted wird vermutlich auch hier Akzente setzen. 2014 erzielte Adidas einen Erlös von 14,5 Mrd. Euro, 2016 rund 20 Mrd. Euro: plus 38 % in zwei Jahren. Da könnte es in der Organisation Nachholbedarf geben. Mit dem Rad zur ArbeitUnd wie im Henkel-Konzern will Rorsted mehr Gewicht auf das Fördern von Talenten legen. Besonders Frauen will er den Weg nach oben erleichtern. Ein Element mit Signalwirkung: Bis Mitte 2017 soll ein weiblicher Vorstand gefunden sein.Allerdings lässt sich nicht jede Spitzenkraft in die Provinz locken. Die Zentrale von Adidas im fränkischen Städtchen Herzogenaurach liegt eine gute halbe Autostunde von Nürnberg entfernt. Rorsted, dessen Familie am Starnberger See lebt, hat sich für eine Wohnung am Firmensitz entschieden. Von dort fährt er, wenn er nicht auf Reisen ist, mit dem Rad zur Arbeit und beginnt den Tag um Viertel nach sechs im unternehmenseigenen Fitnessraum. Er will nicht nur den Konzern stählen.