Whitney Wolfe Herd

Die Dating-Milliardärin

Whitney Wolfe Herd will am Boden bleiben. „Bleibt bescheiden, freundlich und kooperativ“, schrieb die Vorstandschefin der Dating-Plattform Bumble ihrem Team nach dem erfolgreichen Börsengang in der vergangenen Woche. „Achtet nicht auf die Aktie,...

Die Dating-Milliardärin

Von Norbert Kuls, New York

Whitney Wolfe Herd will am Boden bleiben. „Bleibt bescheiden, freundlich und kooperativ“, schrieb die Vorstandschefin der Dating-Plattform Bumble ihrem Team nach dem erfolgreichen Börsengang in der vergangenen Woche. „Achtet nicht auf die Aktie, sondern auf die Resonanz der Kunden und das Wachstum.“

Ein Blick auf den Aktienkurs wäre entschuldbar. Der Kurs des im texanischen Austin beheimateten Unternehmens ist in den Tagen seit dem IPO um rund 80% geklettert. Mit einem Emissionsvolumen von 2,2 Mrd. Dollar gehört Bumble auch zu den größeren Börsengängen an der Wall Street. Der Grund für das große mediale Interesse an dem IPO war allerdings nicht nur das Zahlenwerk. Es lag auch an der Gründerin selbst.

Herd, die mit dem IPO zur Milliardärin wurde, ist mit 31 Jahren die jüngste Vorstandschefin, die ein Unternehmen an eine amerikanische Börse brachte. Sie fällt als Frau auch in der von Männern dominierten Gründerszene auf – selbst wenn sie zur virtuellen Eröffnung des Börsenhandels an der Nasdaq nicht ihren einjährigen Sohn auf dem Arm gehabt hätte. Herd drängt offensiv auf Vielfalt, weswegen sowohl der Vorstand als auch der Verwaltungsrat von Bumble mehrheitlich mit Frauen besetzt sind. „Hoffentlich bleibt das keine seltene Schlagzeile“, sagt sie.

Bumble ist selbst eine Reaktion auf die negativen Auswüchse männlicher Dominanz. Herd gehörte zu den Mitgründern der Dating-App Tinder, war dort aber im Streit geschieden und verklagte das Unternehmen wegen sexueller Belästigung. Die Vorwürfe wurden außergerichtlich beigelegt, kurz bevor sie 2014 Bumble gründete. Bumble gibt Frauen mehr Kontrolle beim Online-Dating, weil sie den ersten Schritt machen müssen, um eine Verbindung zu einem potenziellen Partner herzustellen. Bumble gehört außerdem die britische Dating-Plattform Badoo, die 2006 vom russischen Unternehmer Andrej Andreew gegründet wurde. Andreew unterstützte Bumble anfänglich finanziell und war Herds Mentor, sah sich dann aber ebenfalls Sexismusvorwürfen bei Badoo ausgesetzt. Andreew dementierte, verkaufte aber 2019 seine Mehrheitsbeteiligung an der Muttergesellschaft von Bumble und Badoo an die Beteiligungsgesellschaft Blackstone. Herd wurde danach CEO.

Talent für Marketing

Die in Utah aufgewachsene Bumble-Chefin hatte schon als Studentin in Dallas unternehmerische Initative und Talent für Marketing. Sie gründete damals eine wohltätige Organisation um wegen der BP-Ölpest verseuchte Gebiete mit dem Verkauf von Bambustaschen zu unterstützten. Die Taschen wurden ein Hit, nachdem sich Promis wie die Schauspielerin Nichole Richie damit sehen ließen. Herds ehemaligen Kollegen bei Tinder ist daher seit geraumer Zeit klar, dass sie es mit einer talentierten Konkurrentin zu tun haben. Die Firma Match, der Tinder gehört, wollte Bumble 2018 übernehmen. Nachdem Match abgeblitzt war, warf sie Bumble vor, Patente wie die „Wisch-Funktion“ von Tinder gestohlen zu haben. Bumble bezeichnete Match als „Mobber“ und reichte eine Gegenklage ein. Nach der Historie mit Tinder ist „freundlich und kooperativ“ für Herd verständlicherweise keine geschäftliche Vorgabe mehr beim Umgang mit dem – noch – populäreren Wettbewerber.