Die Internet-Könige finden kein Gehör in Washington
Von Norbert Kuls, New YorkSelbst die bedeutendsten Technologie-Manager kämpfen manchmal mit der Technik. Jeff Bezos, Gründer des Online-Einzelhändlers Amazon und der reichste Mann der Welt, musste am Mittwoch vor einem Kongressausschuss in Washington daran erinnert werden, sein Mikrofon laut zu stellen, bevor er auf eine Frage antwortete. “Mr. Bezos, ich glaube, Sie sind stumm geschaltet”, sagte einer der Abgeordneten. Es war einer der kurioseren Sätze, die fielen.Bezos sagte das erste Mal vor dem Kongress aus und befand sich in illustrer Gesellschaft. Neben Bezos stellten sich Tim Cook, der Vorstandschef von Apple, Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook, und Sundar Pichai, der CEO der Google-Muttergesellschaft Alphabet, mehr als fünf Stunden lang den Fragen von Abgeordneten.Die Anhörung war der vorläufige Höhepunkt einer seit geraumer Zeit schwelenden Debatte um eine zu große Marktmacht der führenden Technologiekonzerne. Die Unternehmen stehen im Visier von Regulierern, und einige Politiker fordern ihre Zerschlagung. Das amerikanische Justizministerium bereitet in seiner Funktion als Kartellbehörde offenbar eine Klage gegen Google wegen deren Dominanz bei Internetsuche und Werbegeschäft vor. Mehrere Bundesstaaten prüfen, ob Facebook Nutzerdaten gefährdet oder den Wettbewerb im digitalen Werbemarkt behindert. Auch die vor einigen Jahren vollzogene Übernahme der Fotoplattform Instagram durch Facebook wird untersucht.Parallel dazu ermittelt der zum Justizausschuss gehörende Unterausschuss für Kartellfragen im Repräsentantenhaus, der zur Anhörung am Mittwoch geladen hatte. Die Stimmung war parteiübergreifend feindselig. “Als Torwächter zur digitalen Wirtschaft genießen diese Plattformen die Macht, sich zu bereichern, während sie gleichzeitig Konkurrenten abwürgen”, sagte der demokratische Ausschussvorsitzende David Cicilline. “Unsere Gründer haben sich geweigert, sich vor einem König zu verbeugen. Wir sollten uns auch nicht vor den Kaisern der Online-Wirtschaft verneigen.” Da half es nicht, dass die Tech-CEOs ihre Unternehmen als uramerikanische Erfolgsgeschichten darstellten.Anhörungen vor dem Kongress sind immer auch politisches Theater mit gedrängten Verhandlungssälen, Blitzlichtern und zum Schwur erhobenen Händen. Die Anhörung der Tech-Giganten hatte diesmal eine andere Qualität. Wegen der Corona-Pandemie waren die Vorstandschefs per Videokonferenz zugeschaltet. Die Manager hatten ausgehandelt, gemeinsam auszusagen. Damit blieb den Abgeordneten weniger Zeit, sich auf ein Unternehmen zu fixieren. Aber es blieb ausreichend Gelegenheit zur Kritik. Jeff Bezos musste sich zwar anderthalb Stunden gedulden. Dann fragte ihn aber ausgerechnet Pramila Jayapal, die Abgeordnete aus dem Amazon-Hauptsitz Seattle, nach der missbräuchlichen Nutzung von Daten. Hintergrund waren Berichte, dass Amazon Verkaufsdaten von Drittanbietern auf ihrer Plattform genutzt hat, um Konkurrenzprodukte herzustellen. Jayapal, die Bezos öfter das Wort abschnitt, drangt auf eine klare Antwort. “Ich kann die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten”, wich Bezos aus. Es gebe interne Regularien gegen eine derartige Nutzung von Daten. “Ich kann aber nicht garantieren, dass diese Regeln nie verletzt wurden.”Die meisten Abgeordneten konzentrierten sich auf Facebook und Google. Zuckerberg wurde mit einem Dokument konfrontiert, in dem er das Interesse an Instagram damit begründete, dass der Konkurrent Facebook danach nicht mehr “bedeutend wehtun” könne. Der Abgeordnete Jerrold Nadler belehrte Zuckerberg, dass Übernahmen, mit denen nur potenzielle Wettbewerber ausgeschaltet werden sollen, das Kartellrecht verletzen. Google wurde von Cicilline vorgeworfen, Restaurantkritiken von Yelp gestohlen zu haben, um ein Konkurrenzprodukt aufzubauen. “Wir unterstützen 1,4 Millionen kleine Unternehmen”, erwiderte CEO Pichai. Apple-Chef Cook wies Vorwürfe gegen ähnliche Praktiken im App-Store zurück. “Wir würden nie geistiges Eigentum stehlen”, sagte er.Republikaner kritisierten die vermeintliche Zensur konservativer Stimmen in sozialen Medien oder bei Suchanfragen – Vorwürfe, die die Unternehmen strikt dementieren. Jim Jordan, der höchstrangige Republikaner im Justizausschuss, warf den Unternehmen vor, Wahlen beeinflussen zu wollen. “Wenn das nicht aufhört, muss es Konsequenzen haben.” Damit droht auch sein Kollege Cicilline. “Diese Unternehmen haben alle die Macht eines Monopols”, sagte der Abgeordnete am Ende der Anhörung. “Einige müssen aufgespalten werden.” Es scheint, als sei es für die vier Topmanager nicht die letzte Videokonferenz mit Washington gewesen.