„Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen“
„Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen"
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Verhandlungen über neue Verträge und Kooperationen, Termine mit militärischen und politischen Kunden, mit Lieferanten, großen wie kleinen Kooperationspartnern und Kollegen, dazu jede Menge Interviewanfragen: „Die Tage und Wochen sind durchgetaktet“, berichtet Airbus Defence and Space-Chef Michael Schöllhorn. Die von ihm geleitete Sparte des Luft- und Raumfahrtkonzerns ist seit der europäischen Rüstungsinitiative noch stärker als zuvor in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Verteidigungsfragen spielen auch im Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), dem er seit 2021 vorsteht, eine immer wichtigere Rolle.
Bei der Paris Air Show im Juni dürften sie ebenfalls in den Vordergrund rücken. Immerhin soll jetzt so viel Geld für Rüstung ausgegeben werden wie seit langem nicht mehr. „Es geht um nichts Geringeres, als jetzt rasch die Weichen zu stellen, damit Europa sich in wenigen Jahren gegen eine mögliche und nicht mehr abwegige Aggression verteidigen kann, falls nötig auch ohne die Unterstützung der USA“, sagt Schöllhorn, der vor wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feierte. „Vor allem kommt es auf Länder wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland, aber auch Polen und die Nordics an, ob und wie wir Europa militärisch besser aufstellen können.“
Neue Aufträge in Sicht
Die aktuelle Phase der Rückbesinnung Europas auf hinreichende militärische Stärke als Grundlage für Frieden und Sicherheit sei schon besonders, meint der frühere Hubschrauberpilot und Offizier der Bundeswehr. Denn diese überfällige Wende finde vor dem Hintergrund der sich beschleunigenden technologischen Disruption, tiefgreifenden geopolitischen und handelspolitischen Veränderungen, der sich verändernden transatlantischen Beziehung statt. „Das verunsichert viele Menschen verständlicherweise.“
Der promovierte Ingenieur, der an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg Maschinenbau studierte, rechnet nun mit einer Menge neuer Aufträge. So sind mehrere europäische Länder daran interessiert, amerikanische Satellitendienste wie Starlink von Elon Musk und Maxar zu ersetzen. Airbus erwarte 2025 auch einen Auftrag aus Deutschland für neue Eurofighter-Flugzeuge, wie von der Bundesregierung letztes Jahr verkündet, erklärt Schöllhorn.
Vorbereitung für das Hochfahren der Produktion
Um sich auf den erwarteten Anstieg der Nachfrage vorzubereiten, entwickele Airbus Defence & Space Ramp-Up-Szenarien, „etwas, was wir bei Airbus aus dem Zivilbereich gut kennen“, sagt der Manager, der 2019 als Chief Operating Officer (COO) der Zivil-Flugzeugsparte von BSH Home Appliances zu Airbus kam. Grundsätzlich sei Airbus in der Lage, die Produktion großer Programme binnen Monaten signifikant auszuweiten, wenn die Nachfrage rechtzeitig signalisiert werde. Dabei müsse früh geprüft werden, ob die Zulieferer mitziehen könnten.
„Es geht auch darum, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen, was unsere Kunden in einigen Jahren benötigen und unsere Technologie-Roadmap darauf anzupassen.“ In der militärischen Entwicklung und Auftragsvergabe seien grundlegend neue Prozesse dort erforderlich, wo heute keiner genau wisse, wie man in zehn Jahren kämpfen werde: Bei KI, der sogenannten Software Defined Defence, der Automatisierung und Teilen der militärischen Raumfahrt. „Das ist für die Industrie eine genauso große Herausforderung wie für den öffentlichen Auftraggeber“, sagt Schöllhorn. Er plädiert auch dafür, die Entwicklung des Luftkampfsystems FCAS (Future Combat Air System) zu beschleunigen und beispielsweise autonome, vernetzte Flugkörper spätestens 2029 auf den Markt zu bringen.
Gespräche über Satelliten-Kooperation
Airbus verhandelt jetzt auch mit Thales und Leonardo über eine Satelliten-Kooperation. Die Gespräche würden unvermindert fortgesetzt, sagte Schöllhorn gerade „El País Cinco Días“. Es gäbe noch viele offene Fragen, aber etliche Entscheidungen, die den Zeitplan beeinflussten, lägen bei den Staaten und der EU. Gegen Ende des Jahres sehe man womöglich deutlicher, ob die geplante Zusammenarbeit machbar sei.