Die Wartezeit für Trucker Renschler ist vorbei
Von Gerhard Bläske, StuttgartDie Wartezeit hat ein Ende. Am kommenden Montag geht es für Andreas Renschler (56) endlich los bei Volkswagen. Nach einer zwölfmonatigen “Abkühlungsphase” darf der langjährige Daimler-Manager endlich seinen neuen Posten als Mitglied des VW-Konzernvorstandes mit Zuständigkeit für Nutzfahrzeuge antreten. HemdsärmligWer den hemdsärmligen Renschler kennt, der weiß, dass er schon mit den Hufen scharrt. Auch sein neuer Arbeitgeber wartet mit Ungeduld auf den Mann, der die Nutzfahrzeugsparte mit den Marken VW (Kleinlaster), MAN und Scania (Schwerlaster) endlich zu einer schlagkräftigen Einheit formen soll. Unter seinem Vorgänger, dem langjährigen Scania-Chef Leif Östling, gelang die Verzahnung nur höchst ungenügend. Er erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Scania ist zwar relativ erfolgreich und weist im Branchenvergleich die höchsten Margen auf. MAN ist aber zuletzt kräftig abgeschmiert, hat Marktanteile verloren, muss kurzarbeiten und weist eine geringe Rendite auf. Das Verhältnis der beiden Hersteller zueinander ist mehr als eisig.Nun soll’s Renschler richten. Über Erfahrung und Selbstbewusstsein verfügt der Schwabe in ausreichendem Maße. Der Diplom-Kaufmann und Diplom-Wirtschaftsingenieur ist ein Daimler-Urgestein. Geboren in der Nähe von Sindelfingen, startete er seine Karriere einst im größten Pkw-Werk der Marke mit dem Stern. Nachdem er im Stab des früheren Mercedes-Chefs Werner Niefer und dann als Assistent von dessen Nachfolger Helmut Werner gearbeitet hatte, entwickelte er sich in der Folge zu einer Art Feuerwehrmann im Konzern. Er war für die Einführung der Geländewagen der M-Klasse zuständig, baute das US-Werk in Tuscaloosa auf und leitete die Kleinwagenmarke Smart. 2004 wurde er Chef der Nutzfahrzeugsparte und ein echter Truck-Mann.Dank seines guten Verhältnisses zum Daimler-Betriebsrat setzte er flexible Arbeitszeitmodelle durch und führte eine Art Baukastenprinzip ein. Trotz unterschiedlicher Marken und Modelle beruhen die Daimler-Nutzfahrzeuge weitgehend auf einer Motorentechnologie. Dass er im Gegenzug für die Zustimmung des Betriebsrates zur Vertragsverlängerung von Konzernchef Dieter Zetsche Anfang 2013 die Nutzfahrzeugsparte an Wolfgang Bernhard abgeben musste und von diesem die Verantwortung für Einkauf und Produktion Pkw übernahm, ärgerte ihn nachhaltig und war wohl ausschlaggebend dafür, dass er zugänglich für die Lockungen aus Wolfsburg wurde. Baukastenprinzip umsetzenAuch bei VW soll er nun einen gemeinsamen Baukasten umsetzen und Synergien von jährlich 650 Mill. Euro heben. Endziel ist es, Weltmarktführer Daimler zu überholen. Das ist eine Herkulesaufgabe. Zwar ist bereits entschieden, dass MAN von 2016 an die Getriebe nicht mehr von ZF, sondern von der “Schwestermarke” MAN beziehen soll. Doch eine viel größere Herausforderung ist es, die zankenden Geschwister die neue Getriebegeneration gemeinsam entwickeln zu lassen. Auch die Komponenten für das Fahrerhaus könnten einmal aus einem gemeinsamen Baukasten kommen, von der Steuerungselektronik bis zum Fensterheber. Denkbar sind sogar einheitliche Motoren. Die Aufgabe für Renschler ist gewaltig, denn die Schweden haben im Zuge der Übernahme durch VW weitgehende Beschäftigungsgarantien erhalten. Außerdem ist die VW-Nutzfahrzeugsparte in Nordamerika, wo Gerüchten zufolge ein Kauf der Marke Paccar in Vorbereitung ist, sowie in Asien ganz schwach auf der Brust.Die Modellzyklen in der Branche sind lang, so dass schnelle Erfolge für Renschler kaum zu erwarten sind. In dem schwierigen Umfeld mit Konzernpatriarch Ferdinand Piëch und Konzernchef Martin Winterkorn haben es von außen geholte Manager außerdem traditionell schwer. Die Liste der Gescheiterten ist lang und reicht von Daniel Goeudevert über Bernd Pischetsrieder bis hin zu Wolfgang Bernhard und Leif Östling. Führung von Frankfurt ausImmerhin bleibt Renschler der Umzug in die norddeutsche Tiefebene wohl erspart. Der Vater eines erwachsenen Sohnes und einer Tochter soll die Holding angeblich von Frankfurt aus führen. Das käme dem Freizeitgolfer und Modelleisenbahnfan auch privat entgegen, denn der Schwabe lebt mit seiner neuen Lebensgefährtin nach wie vor im Stuttgarter Süden. Das ist nicht so weit weg von Frankfurt.