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Die Wirecard-Aufklärer gehen bald wieder eigene Wege

Sie sind „die treibende Kraft, der Motor im Wirecard-Untersuchungsausschuss“, wie der Satiriker Jan Böhmermann Ende November 2020 die Bundestagsabgeordneten Florian Toncar (41), Danyal Bayaz (37) und Fabio De Masi (41) als Gäste in seiner...

Die Wirecard-Aufklärer gehen bald wieder eigene Wege

Von Stefan Paravicini, Berlin

Sie sind „die treibende Kraft, der Motor im Wirecard-Untersuchungsausschuss“, wie der Satiriker Jan Böhmermann Ende November 2020 die Bundestagsabgeordneten Florian Toncar (41), Danyal Bayaz (37) und Fabio De Masi (41) als Gäste in seiner Fernsehsendung ankündigte. Sie seien „maßgeblich dafür verantwortlich, dass Finanzminister Olaf Scholz und Wirecard-Boss Markus Braun Alpträume namens Marsalek haben“, trommelte der TV-Komödiant für sein halbstündiges Interview mit den Initiatoren des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Be­trugsskandal bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard. „Und sie geben erst Ruhe, wenn alle Wirecard-Bagaluten gepackt sind.“ Spätestens da war klar, dass der Anwalt Toncar, der ehemalige Unternehmensberater Bayaz und der frühere Europaparlamentarier De Masi auch neue Wege gehen würden, um gemeinsam einen der größten Finanzskandale in Deutschland aufzuarbeiten.

Etwas mehr als drei Monate nach dem Auftritt des „parlamentarischen Detektivclubs“ bei Böhmermann haben die drei zusammen mit ihren Kollegen im Ausschuss mehr als 60 Zeugen über fast 200 Stunden vernommen. Bei der Zwischenbilanz, die sie knapp fünf Monate nach dem Start der Untersuchungsarbeit gestern in der Bundespressekonferenz in Berlin zogen, war ihnen dennoch keine Müdigkeit anzumerken. Im Gegenteil: In den nächsten Wochen will der Ausschuss noch eine lange Reihe weiterer Zeugen hören. Ende April stehen die Vertreter der Bundesregierung auf der Zeugenliste, wobei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) besonders im Visier der drei Wirecard-Aufklärer steht.

Ob der Vizekanzler deshalb Alpträume hat, wie Jan Böhmermann glaubt, sei einmal dahingestellt. Sein Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss könnte jedenfalls auch die Wege der Wirecard-Detektive beeinflussen. Zieht sich Scholz achtbar aus der Affäre, lebt die Chance auf eine Ampelkoalition weiter. Die Wege von Toncar und Bayaz könnten sich dann schon bald in den Regierungsfraktionen kreuzen. De Masi muss sich bis auf Weiteres keine Gedanken über Farbkonstellationen im Parlament machen. Er hat vor wenigen Tagen angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren.

„Sie sind Politiker von drei Parteien, die sonst nicht so eng zusammenarbeiten. Sind Sie jetzt Freunde?“, fragte Jan Böhmermann die drei Parlamentarier im Herbst. „Politische Freunde auf jeden Fall“, antwortete der wirtschaftsliberale Bayaz damals. Oft bleibe einem auch gar nichts anderes übrig, etwa als er einmal auf einer Delegationsreise nach China an der Hotelbar mit De Masi hängen geblieben sei, sagte der Vorsitzende des grünen Wirtschaftsbeirates augenzwinkernd. „Florian kommt wie ich aus dem Ländle, da gibt es natürlich Verbindungen.“

Sie alle habe „empört und erschrocken“, wie sich so ein Finanzskandal vor den Augen von Aufsichtsbehörden abspielen konnte, erklärte Toncar bei Böhmermann die Gemeinsamkeiten mit Bayaz und De Masi. Dennoch stehe man politisch in unterschiedlichen Lagern und werde womöglich auch unterschiedliche Schlüsse aus den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses ziehen. „Ich finde zum Beispiel Wertpapiere und Aktienmärkte gut, das würde Fabio vielleicht anders sehen.“ Sollte der Wirecard-Ausschuss im Sommer seinen Abschlussbericht vorlegen, dürften die drei im Wahlkampf wieder eigene Wege gehen.