Draghis wichtigste Minister sind parteilose Experten
Von Gerhard Bläske, Mailand
Die beiden starken Männer in Italiens neuer Regierung unter Mario Draghi sind parteilose Fachleute: Der neue Wirtschaftsminister Daniele Franco (67) hat fast sein ganzes Leben in der Notenbank Banca d’Italia verbracht. Und der Superminister für den ökologischen Umbau, Roberto Cingolani (59, ist ein international anerkannter Wissenschaftler, Unternehmer und Manager.
Franco, der aus einem kleinen Ort bei Belluno in Venetien kommt, ist ein alter Vertrauter Draghis. Die beiden kennen und schätzen sich von der gemeinsamen Arbeit bei Italiens Notenbank. Nach einem Studium der Politischen Wissenschaften in Padua und einem Master in Betriebswirtschaft an der New York University begann Franco seine Karriere 1979 bei der Banca d’Italia. Dort blieb er im Wesentlichen auch, sieht man einmal von nebenberuflichen Lehraufträgen an den Universitäten von Bergamo, Triest und der Katholischen Universität in Mailand ab.
Franco vertritt seine Überzeugungen auch gegen Widerstand. Für Schlagzeilen sorgte er, als er sich 2018 mit der ersten Regierung von Premierminister Giuseppe Conte anlegte, die seinerzeit ohne Rücksicht auf die wachsende Verschuldung Flat Tax, Bürgerlohn und das Vorziehen des Rentenalters in einem Rutsch durchziehen wollte. Franco, dessen Zustimmung als Chefbuchhalter des Finanzministeriums unerlässlich war, legte sein Veto ein. Bei Lega-Chef Matteo Salvini und dem damaligen 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio, der Außenminister auch der neuen Regierung ist, galt er als „Verhinderer“. Möglicherweise verhinderte er einen noch stärkeren Anstieg der Zinsen. Zuvor hatte sich Franco bereits mit Contes Vorgänger Paolo Gentiloni, heute EU-Kommissar, angelegt.
Schulden als Anlass zur Sorge
Franco plädiert grundsätzlich für einen italienischen Primärüberschuss von etwa 1,5% vor Zinszahlungen und fordert eine langsame, aber stetige Rückführung der Schulden. Dass Italiens Wirtschaft seit rund 20 Jahren stagniert und die Produktivität nicht mehr wächst, ist für ihn Anlass zu großer Sorge.
Ein unabhängiger Geist ist auch der Physiker Cingolani. Der Mailänder war zuletzt CTO und Leiter des Bereichs Innovation beim Rüstungskonzern Leonardo. Bekannt geworden ist der Tausendsassa jedoch als langjähriger Leiter des Genueser Forschungsinstituts Istituto Italiano di Tecnologia (IIT). Es war der damalige Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, der Cingolani mit dem Aufbau dieses Instituts betraute. Der damals schon renommierte Wissenschaftler, der von 1989 bis 1991 am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung gearbeitet hat und später Professuren in Italien, den USA und in Japan hatte, enttäuschte das Vertrauen nicht. Mit einem Jahresbudget von nur 100 Mill. Euro machte er das IIT zu einem führenden wissenschaftlichen Institut. Bis dato gingen aus dem IIT, das 1700 wissenschaftliche Mitarbeiter aus 60 Ländern beschäftigt, elf Forschungszentren und mehr als tausend Patente hat, mehr als 24 Start-ups hervor.
Der passionierte Radfahrer Cingolani steckt mit seinem Enthusiasmus regelrecht an. Der Experte für Robotik und Nanotechnologie ist ein Bulldozer, der vor Ideen nur so sprudelt, und er träumt davon, das IIT zum Kern eines Netzwerks nach Art der Max-Planck-Institute zu machen. Der Vater von drei Söhnen ist mit einer griechischen Physikerin verheiratet. Auch seine Eltern waren Naturwissenschaftler. Besonders am Herzen liegen ihm Innovationen und der Technologietransfer. Stark gefördert hat er die Entwicklung des iCub. Der humanoide Roboter, der Menschen assistiert, ist das Aushängeschild des IIT. Cingolani ist auch Vater der Idee einer Wissenschaftsstadt in Mailand.
In seinem neuen Amt verantwortet Cingolani 37% der Mittel des europäischen Wiederaufbauprogramms, die Italien bekommen soll, etwa 77 Mrd. Euro. Er beschäftigt sich seit langem mit Wasserstofftechnologie, CO2-Themen und vielen anderen Themen, die mit dem Thema Nachhaltigkeit verbunden sind. Und er kennt die lähmende Bürokratie des Landes, die Innovationen ausbremst.