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Drei Verlierer und ein lachender Vierter

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.7.2016 Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat die Ministererlaubnis für die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch Edeka vorläufig gestoppt. Der Erste Kartellsenat bewertet...

Drei Verlierer und ein lachender Vierter

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDas Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat die Ministererlaubnis für die Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann durch Edeka vorläufig gestoppt. Der Erste Kartellsenat bewertet die Ausnahmegenehmigung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als rechtswidrig. Nach Einschätzung von Experten kann sich durch das Vollzugsverbot der geplante Zusammenschluss um Jahre verzögern. Damit droht den Plänen möglicherweise das Aus. Derweil bekräftigt Edeka-Konkurrent Rewe, die Handelskette stehe bereit, Kaiser’s Tengelmann zu übernehmen. Zwei Jahre länger als geplantNeben den drei offenkundigen Verlierern der OLG-Entscheidung – Gabriel, Edeka-Chef Markus Mosa und Kaiser’s-Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub – könnte es mit Rewe-Chef Alain Caparros einen lachenden Vierten geben. Die nach Edeka größte Supermarktkette Deutschlands war einer der Kläger gegen die Ministererlaubnis.Caparros ist seit April 2005 Mitglied des Rewe-Vorstands und seit dem 12. Dezember 2006 Vorstandsvorsitzender der Gruppe. Anfang April gab der 59-jährige Vater von drei Kindern in der Jahrespressekonferenz bekannt, seinen Vertrag bis Ende 2018 verlängert zu haben. Dann wird er 62 sein. Dabei hatte er einst erklärt: “Mit 60 ist Schluss.” Ein Grund für die längere Verweildauer an der Rewe-Spitze als geplant dürfte sein, dass der Umbau der genossenschaftlichen Handelsgruppe noch nicht beendet ist. So ist die Implementierung neuer Geschäftsmodelle vor allem im digitalen Handel eine Herausforderung. Und über Kaiser’s Tengelmann war – wie sich nun zeigt – das letzte Wort auch noch nicht gesprochen. Kein Blatt vor dem MundEr wolle der erste Vorstandschef des Handelskonzerns in den vergangenen 50 Jahren sein, der freiwillig gehe, kokettierte Caparros vor drei Monaten ein wenig mit seinen Erfolgen. Tatsächlich hat der unkonventionell auftretende Manager, der auch in der Öffentlichkeit kein Blatt vor den Mund nimmt, die zuvor von Führungsquerelen geplagte Rewe wieder auf Kurs gebracht. Er sanierte Baustellen wie die Toom-Baumärkte und den Discounter Penny, trennte sich von den Promarkt-Elektronikläden und probiert im Lebensmittelhandel Neues aus.Der Mut zu unbequemen Maßnahmen und Experimenten, die nicht jeder Manager wagen würde, ist zweifellos auch ein Ergebnis seines Werdegangs. 1956 in Algerien – seinerzeit noch eine französische Kolonie – geboren, musste seine Familie nach dem Ausbruch des Unabhängigkeitskriegs nach Frankreich fliehen. Der Weg führte Familie Caparros nach Metz. Während des Studiums, das der Franzose zum Teil in Saarbrücken absolvierte, machte er erstmals Bekanntschaft mit der deutschen Mentalität. “Geh mal nach Köln”Seine berufliche Laufbahn startete er beim Kosmetikkonzern Yves Rocher im deutschsprachigen Raum. 1994 wechselte er zu Aldi, wo er für das französische Geschäft zuständig war. Dabei lernte Caparros auch die Albrecht-Brüder kennen, die er bis heute zutiefst bewundert. Richtung Deutschland bewegte sich Caparros zu Beginn des neuen Jahrtausends als Mitglied der Geschäftsführung der Schweizer Bon Appétit, wo er für das Großhandelsgeschäft mit der Gastronomie verantwortlich zeichnete – und verzweifelt auf der Suche nach einem Käufer war. Nachdem er sich bei Tesco und Ahold Absagen eingehandelt hatte, gab ihm auch der damalige Metro-Chef Hans-Joachim Körber einen Korb. Und einen Tipp: “Geh mal nach Köln zu Rewe.”Der damalige Rewe-Chef Hans Reischl war als harter Hund bekannt. Er sorgte dafür, dass sich Caparros nicht wie beabsichtigt nach dem Deal nach Frankreich absetzen konnte: Die Verträge wollte Reischl nämlich nur dann unterzeichnen, wenn Caparros an Bord bleiben würde. Das war im Oktober 2003. Nach dem Ausscheiden Reischls im April 2004 gab es bei Rewe anhaltenden Führungsquerelen. Mit der Ernennung von Debitel-Manager Achim Egner zum Vorstandschef rückte im April 2005 auch Caparros in das Rewe-Führungsgremium auf – zur Ruhe kam das Handelsunternehmen jedoch nicht. Revolte organisiertEin Jahr später stand für Caparros fest: So kann es nicht weitergehen. Nach seiner Darstellung drohte der Handelsriese vor die Wand zu fahren (vgl. BZ vom 6.7.2012), also organisierte er eine Revolte: Die obersten 20 Führungskräfte trafen sich nachts – ganz konspirativ – im Kölner Dorint-Hotel, wie er später schilderte, und verabredeten den Sturz von Egner. Am nächsten Tag, dem 1. September 2006, schritt Caparros zur Tat. Auf Drängen der Topmanager gab es eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung, aus der der Franzose als Vorstandschef des deutschen Unternehmens hervorging. In der zweiten Hälfte nächsten Jahres soll nun Caparros’ Nachfolger von Rewe benannt werden.