Ecclestone verlässt München als freier Mann
Von Julia Roebke, MünchenEine Woche haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung intensiv verhandelt, jetzt hat auch Richter Peter Noll dem Vergleich im Korruptionsprozess gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone zugestimmt. Am Dienstag verkündete das Landgericht München die Einstellung des Verfahrens gegen den 83-jährigen Rennzirkus-Manager. Zum Abschied zahlt Ecclestone binnen einer Woche 100 Mill. Dollar Geldauflage und verlässt München als freier Mann.Nach der bisherigen Beweisaufnahme hätten sich die Tatvorwürfe in wesentlichen Teilen nicht erhärten lassen, begründete das Gericht seine Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft hatte Ecclestone Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall vorgeworfen. Hintergrund ist der Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB (46 %) an den Investor CVC im Jahre 2005, den für die Bank der damalige Risikovorstand Gerhard Gribkowsky eingefädelt hatte. 44 Mill. Dollar zugeschobenEcclestone soll dem BayernLB-Vorstand 44 Mill. Dollar zugeschoben haben, damit dieser sich für einen Käufer starkmacht, der auch dem Briten genehm ist. Das ist die Version der Staatsanwaltschaft, die sich auf die Aussagen Gribkowskys stützt. Der ehemalige Bankmanager war Mitte 2012 wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu einer achteinhalbjährigen Haftstrafe verdonnert worden. Nachdem Gribkowsky den Prozess damals monatelang schweigend verfolgt hatte, ging das Verfahren mit einem umfassenden Geständnis zu Ende. Seine Aussagen zu den Avancen des Formel-1-Chefs hatte Gribkowsky als Kronzeuge auch im Strafprozess gegen Ecclestone wiederholt. Dass das Geld an den damaligen Bankvorstand geflossen ist, daran besteht kein Zweifel. Nur der Grund für die Zahlung ist nach den Aussagen Ecclestones ein anderer. Er behauptet, dass Gribkowsky ihn erpresst habe. Der damalige BayernLB-Manager habe gedroht, Details zu einer steuersparenden Stiftungskonstruktion von Ecclestone an die britischen Behörden weiterzugeben. Damit hätte Ecclestone die Pleite gedroht, wie er zu Prozessbeginn in München in Form einer schriftlichen Erklärung ausführte, die sein Anwalt vortrug. Zwei VersionenWelche Version der Geschehnisse nun der Wahrheit am nächsten kommt, das wird das Münchner Landgericht nicht mehr klären. Für die Richter war bei der Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens vor allem ausschlaggebend, dass es erhebliche Zweifel gibt, ob Ecclestone bekannt war, dass es sich bei der BayernLB um eine Bank im Staatsbesitz handelt. Was für Außenstehende einer Petitesse gleicht, ist im Strafprozess von erheblicher Bedeutung. Das deutsche Recht kennt strengere Vorschriften für Amtsträger. Bei der Bestechung eines Staatsbediensteten in einem besonders schweren Fall hätte Ecclestone demnach eine mehrjährige Haftstrafe gedroht. Bestechung im privaten Geschäftsverkehr wird milder bestraft, dazu war die Beweisaufnahme hier noch nicht abgeschlossen.Im Verfahren hatten zuletzt mehrere Zeugen Zweifel daran erkennen lassen, dass Ecclestone über die Eigentumsverhältnisse der Bank Bescheid wusste. Dieser Einschätzung schloss sich nun die Strafkammer an. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen Bestechung sei nach derzeitigem Stand nicht wahrscheinlich, teilte das Gericht mit. Weiter zog man das fortgeschrittene Alter des Angeklagten ebenso in Betracht wie die erhebliche Belastung eines Prozesses in einem fremden Land. “Der Angeklagte hat sich dem Verfahren in jeder Phase vorbehaltlos gestellt, obwohl klar war, dass sein Erscheinen vor Gericht nicht ohne Weiteres hätte erzwungen werden können”, führte das Gericht aus.Zahlt Ecclestone nun die 99 Mill. Dollar an die Staatskasse und 1 Mill. an die Deutsche Kinderhospizstiftung, gilt er als unschuldig und darf wohl auch seinen Job als Chef der Rennserie behalten. Großaktionär CVC hatte zuletzt mitgeteilt, dass Ecclestone im Falle einer Verurteilung seinen Posten räumen müsste. Geldauflage in RekordhöheDie Einstellung eines Strafverfahrens gegen Geldauflage ist in Deutschland durchaus üblich. Laut Gesetz ist dies möglich, wenn der Angeklagte keine schwere Schuld auf sich geladen hat. Eine bisher in Deutschland ungekannte Höhe erreicht jedoch die Zahlung, die Ecclestone leisten soll. “Die Höhe der Auflage orientiert sich an den Vermögensverhältnissen des Angeklagten”, sagte Richter Noll. Daraus könnten keine Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung oder die mögliche Schwere der Schuld gezogen werden. Ecclestone habe zugesichert, dass er mit 100 Mill. Dollar eines “fühlbaren Anteils” seines Vermögens entäußert werde, ohne dabei überfordert zu sein, so der Richter. Verhandlungen mit BayernLBNachdem das strafrechtliche Verfahren nun für Ecclestone mit einem blauen Auge zu Ende gegangen ist, bahnt sich auch im Streit mit der BayernLB ein Vergleich an. Die Landesbank hatte Ecclestone gegenüber schon 2012 geltend gemacht, dass die Formel-1-Anteile damals zu billig verkauft worden seien. Auch die Beraterprovision für den Verkauf, die der Formel-1-Manager kassiert hatte, um sie später heimlich an Gribkowsky weiterzuleiten, will die Bank zurück. Eine entsprechende Zivilklage wurde bis dato aber noch nicht eingereicht. Nachdem im Prozess allerdings deutlich wurde, dass die Bank beim Verkauf der Rennserien-Anteile wohl im Gegenteil ein gutes Geschäft gemacht hat, dürften sich die Verhandlungen mit Ecclestone nun allein um die Rückzahlung der Provision drehen. Der Rennsport-Chef hat der Landesbank vor wenigen Tagen ein Angebot über die Zahlung von 25 Mill. Euro gemacht, das noch bis zum Freitag gültig sein soll.Mit einem Zivilprozess BayernLB gegen Ecclestone ist daher wohl eher nicht mehr zu rechnen. Doch dass den Richtern in München nach Ecclestone, Hoeneß und Co. nun die Fälle ausgehen, ist nicht zu befürchten. Allerorten wird damit gerechnet, dass schon bald die Anklage gegen amtierende und ehemalige Deutsche-Bank-Vorstände wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch vorgelegt wird. Dann könnte München, und vielleicht sogar Noll, der nächste Prozess mit Glamour-Faktor bevorstehen.