Ein Freund der Chinesen
Von Joachim Herr, MünchenAn diesem Donnerstag treffen in Augsburg zwei Männer aufeinander, die ganz unterschiedliche Interessen verfolgen. Das Brisante daran: Es geht um dieselbe Sache – die Zukunft von Kuka. Till Reuter, der Vorstandsvorsitzende des Herstellers von Industrierobotern, unterstützt das Übernahmeangebot des chinesischen Hausgerätekonzerns Midea aus voller Überzeugung. EU-Kommissar Günther Oettinger, zuständig für das Ressort “Digitale Wirtschaft und Gesellschaft”, hätte sich dagegen eine alternative europäische Offerte gewünscht. Nun denkt er laut über ein Außenwirtschaftsgesetz der EU nach, um Wertschöpfung und Forschung strategisch wichtiger Wirtschaftszweige hier zu halten – eben auch die mit EU-Mitteln geförderte Robotik. “Froh und stolz”Am Donnerstag wird Kuka offiziell das neue Entwicklungs- und Technologiezentrum am Stammsitz in Augsburg eröffnen. Reuter begrüßt dann als Festredner Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Oettinger. Dass Oettinger dort als Gegner des Angebots von Midea auftreten wird, dürfte das diplomatische Kalkül des Politikers verhindern. Reuter wiederum wird, wenn überhaupt, für Midea werben, ohne auf die Zwischenrufe aus Brüssel und Berlin einzugehen.In der Öffentlichkeit emotional zu werden, ist von Reuter ohnehin nicht zu erwarten. Der 48 Jahre alte Betriebswirt und Jurist mit Doktortitel tritt immer sachlich und kontrolliert auf. Als er vor zwei Wochen in einer Pressekonferenz nach seinen Gefühlen gefragt wurde, rang sich Reuter nach einer langen Einleitung immerhin den Satz ab: “Ich bin froh und stolz, dass wir das herausgeholt haben.”Gemeint war die Investorenvereinbarung mit Midea, die die Arbeitsplätze und Standorte von Kuka zumindest bis Ende 2023 garantiert. “Vorstand und Aufsichtsrat haben dafür gemeinsam gekämpft”, fügte Reuter hinzu.Das zu beteuern passte allerdings nicht ganz zum Rumoren in den vergangenen Wochen. Die Großaktionäre Voith und Friedhelm Loh hatten ziemlich eindeutig kritisiert, dass sich Reuter schon früh zustimmend zum Angebot aus China geäußert hatte – bevor die Offerte überhaupt veröffentlicht wurde. Auch deshalb dürfte Voith und Loh die Entscheidung relativ leicht gefallen sein, ihre Kuka-Aktien an Midea zu verkaufen. Lücke im LebenslaufReuter kontert den Vorwurf mit der Neutralität des Vorstands und mit dem vor einigen Wochen wiederholten Versprechen, das Angebot ergebnisoffen zu prüfen. Seine Sympathie für Midea blitzte allerdings schon in der Bilanzpressekonferenz im März auf. Dort zeigte er sich von neuen Chancen angetan, um das Geschäft in China schneller und stärker auszubauen. Dass der Vorstand den Plan von Midea als freundlich empfand, wurde dann später in Augsburg zumindest angedeutet.Reuter wirkt zwar etwas spröde. Seine Durchsetzungskraft und Zielstrebigkeit sind aber nicht zu unterschätzen. Seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender von Kuka. Davor war er kurze Zeit Aufsichtsratschef, nach einem Machtkampf eingesetzt vom damaligen Großaktionär Grenzebach. Diese Station fehlt übrigens im Lebenslauf auf der Internetseite von Kuka. Seine Karriere hatte Reuter 1995 als Wirtschaftsjurist in New York und anschließend in Sao Paulo begonnen. Vier Jahre später wechselte er ins Investment Banking: für Morgan Stanley, die Deutsche Bank und zum Schluss bis 2008 für Lehman Brothers. Mit Übernahmen kennt er sich also aus.Midea ist nun auf dem Weg, ein chinesisches Unternehmen zu werden. Nach dem jüngsten Zwischenstand kommt der Konzern mit seinen eigenen Anteilen (13,5 %) und den angedienten Aktien schon auf 58,3 %. Reuter selbst verkauft die Hälfte seiner Aktien an Midea: für genau 1 154 485 Euro.Vor zwei Wochen hatte der Kuka-Chef von Gesprächen berichtet, um andere Investoren für größere Aktienpakete zu gewinnen. Sein Hinweis: Midea wäre mit 45 bis 50 % zufrieden. (Und EU-Kommissar Oettinger sowie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wären bestimmt froh.) Die Chinesen bestätigten dieses Limit bisher allerdings nicht. Ein Missverständnis? Oder hat sich Reuter wieder etwas zu weit nach vorn gewagt?Er gibt sich fest entschlossen, mit Finanzvorstand Peter Mohnen an der Spitze von Kuka zu bleiben: “Peter Mohnen und ich sind das Team und bleiben das Team, das Kuka in die Zukunft führt.” Ihre Verträge haben eine Laufzeit bis 2020 – inzwischen mit einer Garantie von Midea.