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Ein letzter Beifall für den Vossloh-Restrukturierer

Von Andreas Heitker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 27.5.2016 Der Tag begann mit dem Schütteln vieler Hände. Dr. Hans Martin Schabert hat es sich nach der Übernahme des Vorstandsvorsitzes von Vossloh zur Gewohnheit gemacht, die Anteilseigner vor einer...

Ein letzter Beifall für den Vossloh-Restrukturierer

Von Andreas Heitker, DüsseldorfDer Tag begann mit dem Schütteln vieler Hände. Dr. Hans Martin Schabert hat es sich nach der Übernahme des Vorstandsvorsitzes von Vossloh zur Gewohnheit gemacht, die Anteilseigner vor einer Hauptversammlung persönlich zu begrüßen. Erste Fragen werden dann schon im Foyer beantwortet, erste Stimmen und Stimmungen der Kleinaktionäre aufgenommen. Eine durchaus ungewöhnliche Maßnahme zur Vertrauensbildung bei einem immerhin im SDax notierten Unternehmen – die aber zu dem von Schabert angestoßenen Kulturwandel passt, der mit stärkerer Präsenz und Transparenz, aber auch mit einem hohen Respekt gegenüber allen Stakeholdern des sauerländischen Verkehrstechnikkonzerns einhergeht. 180 000 Kilometer zur FamilieMittwoch, Messe Düsseldorf: Es ist das letzte Mal, dass der Maschinenbauingenieur Schabert die vielen Hände der Vossloh-Aktionäre schüttelt. Vor wenigen Wochen hatte der 55-Jährige überraschend bekannt gegeben, dass er seinen Ende März 2017 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird – aus familiären Gründen. Die bisherige Restrukturierung von Vossloh sei ein Kraftakt gewesen, auch emotional, erklärt Schabert seinen Schritt jetzt vor den Aktionären. Er habe seine Aufgabe trotz des sehr hohen persönlichen Einsatzes zwar als große Bereicherung empfunden. “Aber ich bin auch Familienmensch mit Kindern und Enkelkindern und einigen Pubertierenden zu Hause, die die häufigere Anwesenheit des Vaters erfordern.” Diesem wichtigen Teil seines Lebens wolle und müsse er ebenso Aufmerksamkeit widmen.Schabert hat sechs Kinder. Seine Familie lebt in Nürnberg. Die gut 400 Kilometer zum Firmensitz im sauerländischen Werdohl sind nur mit dem Auto und nicht unter vier Stunden zu schaffen. Seit seinem Amtsantritt vor gut zwei Jahren hat der Vossloh-Chef auf dieser Strecke schon mehr als 180 000 Kilometer abgerissen. Das geht an die Substanz. Im Spannungsfeld von Beruf und Familie hat Schabert nun eine klare Priorität gesetzt. Mit einer Flucht vor der schwierigen Situation bei Vossloh hat dies nichts zu tun, wie der langjährige Siemens-Manager auf eine Frage aus dem Plenum klarstellte: “Das würde ich niemals machen.”Die Aktionäre auf der diesjährigen Hauptversammlung (Präsenz 64,8 %) zollen Schabert für seine Entscheidung viel Verständnis. 125 Fragen werden insgesamt gezählt. Es wird Kritik geäußert – an der erneut ausfallenden Dividende, an Aufsichtsratschef und Großaktionär Heinz Hermann Thiele oder der am Vorabend der HV angekündigten Kapitalerhöhung. Kritik an Schabert gibt es keine, obwohl er das Unternehmen mitten in einer noch längst nicht abgeschlossenen Neuaufstellung verlässt. Im Gegenteil: Nahezu jeder Aktionär äußert Dank für seinen Einsatz. Immer wieder gibt es hierfür auch Beifall. Noch kein Nachfolger in SichtEinen Nachfolger von Schabert konnte Versammlungsleiter Thiele noch nicht präsentieren. Dafür soll nun in Kürze aber immerhin die bereits angekündigte Vertragsverlängerung mit den beiden anderen Vorständen – Finanzchef Oliver Schuster und Vertriebsvorstand Volker Schenk – bis zum Jahr 2020 festgezurrt werden. “Damit ist Kontinuität gewährleistet”, betonte Thiele, der die Aktionäre zugleich davor warnte, den Umbau des Konzerns angesichts der Rückkehr in die schwarzen Zahlen schon als abgeschlossen anzusehen. Der erste Restrukturierungsschritt sei gut angelaufen, aber noch nicht zu Ende, sagte er. Der Umbau gehe mit einem zweiten Restrukturierungsschritt aber weiter. “Das wird noch ein langjähriger und nicht einfacher Weg.”Dies bedeutet vor allem aber auch das erneute Umschalten auf Wachstum einschließlich Akquisitionen. Auf der Liste mit möglichen Übernahmezielen stehen unter anderem Unternehmen aus den USA, China und Russland. Die anstehende Kapitalerhöhung soll dafür 127 Mill. Euro in die Kassen spülen.Schabert wird den neuen Wachstumskurs nur noch wenige Monate begleiten. Den Aktionären gab er mit auf den Weg: “Die Tradition von Vossloh verläuft erfolgreich.” Es war ein Versprecher. Im Redemanuskript war von “Transformation von Vossloh” die Rede. Mit der Tradition ist es bei dem nahezu 130 Jahre alten Unternehmen auch so eine Sache: Die Gründerfamilie ist 2013 komplett ausgestiegen, nachdem sie die Macht an Knorr-Bremse-Chef Thiele verloren hatte.Die Strukturen des Konzerns wurden in den letzten zwei Jahren gehörig durcheinandergewirbelt. Und auf der Hauptversammlung wurde mit 99,9 % Zustimmung nun auch noch der Unternehmensgegenstand in der Satzung geändert, um der fokussierteren Ausrichtung Rechnung zu tragen.Tradition bedeutet bei Vossloh momentan Wandel. Und es ist ein durchaus erfolgreicher Wandel, wenn man den Prognosen glauben mag. In dem Versprecher des scheidenden Chefs bei der letzten Hauptversammlung steckte damit durchaus auch ein wahrer Kern.