Wechsel nach 30 Jahren

Ein neuer CEO für Pirelli

Epochenwechsel bei Pirelli: Nach 30 Jahren als CEO übergibt Marco Tronchetti Provera den Stab an Andrea Casaluci.

Ein neuer CEO für Pirelli

Ein neuer Pirelli-CEO nach 30 Jahren

bl Mailand

Pirelli hat turbulente Wochen hinter sich. Die Regierung Meloni, die über eine Goldene Aktie bei dem Unternehmen verfügt, schränkte die Befugnisse des chinesischen Großaktionärs Sinochem, der 37% kontrolliert, massiv ein. De facto ist es aber der Manager Mario Tronchetti Provera, der über ein Vetorecht verfügt: Ohne ihn geht nichts. Der 75-Jährige entscheidet über die Strategie, er ernennt die Spitzenmanager und Sinochem erhält keinen Zugang zu sensiblen Informationen. So war es schon in den ersten Jahren nach dem Einstieg der Chinesen gewesen. Doch dann verlangte der staatlich kontrollierte Aktionär immer mehr Mitsprache und wollte Tronchetti Provera ausbooten. Das rief nicht nur ihn, sondern auch die Regierung auf den Plan, die den Reifenproduzenten als strategisch betrachtet. Es kommt hinzu, dass der starke chinesische Einfluss die Position Pirellis in den USA bedrohte.

Nun steht bei dem italienischen Konzern steht ein Epochenwechsel bevor: An diesem Donnerstag wird der vor wenigen Tagen auf der Hauptversammlung gewählte neue Verwaltungsrat Andrea Casaluci (50) zum CEO nominieren. Marco Tronchetti Provera, seit 30 Jahren an der Spitze des Unternehmens und über seine Holding Camfin mit 14% zweitgrößter Aktionär, wird dann Executive Vice President. Als solcher bleibt er für die Strategieplanung, für die Beziehungen zu den Aktionären, Medien und institutionellen Anlegern und die Ernennung der Spitzenposten im Unternehmen zuständig.

Im neuen Verwaltungsrat wechselt auch die Position des Chairman. Jiao Jian folgt auf Li Fanrong. Doch Camfin hat mit vier von 15 Posten, darunter neben Tronchetti Provera auch Casaluci, ein Vetorecht und kann nicht überstimmt werden. Für strategische Entscheidungen braucht es eine Vier-Fünftel-Mehrheit.

Es bleibt somit spannend. Zwar gilt es als unwahrscheinlich, dass Sinochem gerichtlich gegen die Einschränkung der Rechte vorgeht. Doch wird spekuliert, die Chinesen könnten ihre Anteile verkaufen. Als Kandidat für einen Kauf gilt der Bremsenhersteller Brembo, der bereits 6% der Anteile hält und gerade seinen Sitz in die Niederlande verlegt hat. Damit könnte man im Fall einer größeren Übernahme im Rahmen eines Aktientausches durch die dort liberaleren Regeln im Hinblick auf Mehrfachstimmrechte eine Stimmenmehrheit sichern.

Nachhaltigkeitsziele als große Herausforderung

Der neue CEO Casaluci steht auch geschäftlich vor Herausforderungen. Der Piemontese, der am Polytechnikum in Mailand studiert hat, ist seit 2002 bei Pirelli und seit 2018 General Manager. Er ist verantwortlich für die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele bei dem Hersteller von Hochleistungsreifen. Kürzlich stellte er den speziell für Elektroautos entwickelten P Zero E vor, der zu 55% aus nachhaltigen oder recycelten Materialien bestehen soll und über den gesamten Lebenszyklus hinweg angeblich ein Viertel weniger CO2-Emissionen ausstößt. „Um nachhaltiger zu werden, ist es nötig, besonders innovative Technologien zu entwickeln“, sagt Casaluci, der für Pirelli auch in Spanien und China gearbeitet hat. Das Unternehmen will bis 2030 klimaneutral sein und von 2025 an nur noch mit erneuerbaren Energien produzieren. Casaluci war ursprünglich gar nicht als CEO vorgesehen. Dafür stand eigentlich der stellvertretende CEO Giorgio Luca Bruno (63) bereit. Doch der machte überraschend einen Rückzieher, verlässt das Unternehmen und will sich selbständig machen. Das gab Pirelli Ende Juni bekannt.

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