Eine ganz spezielle Aufgabe für Brigitte Ederer
Von Joachim Herr, München Dass Brigitte Ederer wirklich zum Einsatz kommt, erwarten weder Alexander Everke noch Olaf Berlien. “Wir beide glauben nicht, dass Frau Ederer gebraucht wird”, meint der Vorstandsvorsitzende von AMS. Und Osram-Konzernchef Berlien sagt über den Schiedsrichter Ederer: “Ich denke, wir brauchen ihn nicht.”Welche Rolle spielt also die 63 Jahre alte Österreicherin, die auf ihrem Karriereweg von der Politik in die Wirtschaft SPÖ-Abgeordnete des Parlaments in Wien und Staatssekretärin war sowie Vorstandsmitglied von Siemens? Offiziell lautet die Beschreibung ihrer Aufgabe: Sie “wird als unabhängige Monitorin den Zusammenschluss der beiden Unternehmen überwachen und durchsetzen”.Die Idee dafür stammt von Berlien, und er erklärt seinen Einfall so: Es sei gut, einen Schiedsrichter zu haben, falls doch einer benötigt würde. Dass die Wahl auf Ederer fiel, begründet er mit ihren Erfahrungen im Siemens-Konzern, als Osram noch dazugehörte, sowie ihren Stationen in Österreichs Politik und Wirtschaft: “Ich habe jemanden gesucht, der in beiden Welten unterwegs ist.”Unausgesprochen bleibt der vermutlich entscheidende Grund: Berlien versucht die 5 600 Osram-Mitarbeiter in Deutschland zu beruhigen. Doch das mit der Berufung Ederers gesendete Signal erreicht die Arbeitnehmerseite nicht. Betriebsrat und IG Metall lehnen seit der ersten Interessensbekundung AMS als möglichen Mehrheitsaktionär von Osram ab.Auch Ederer könnte zum Beispiel nur darauf achten, dass Kündigungen aufgrund eines Zusammenschlusses der beiden Unternehmen bis Ende 2022 ausbleiben. Ein Verzicht auf einen betriebsbedingten Stellenabbau ist dagegen nicht festgelegt. Das wäre nach Ansicht des Managements von AMS auch gar nicht möglich, da das Unternehmen flexibel auf Marktentwicklungen reagieren müsse.Alles in allem entsteht der Eindruck, Ederer dient als Symbol für den guten Willen, soll auf Abruf als Notnagel bereitstehen, aber am besten gar nicht eingreifen müssen und somit fürs Nichtstun engagiert sein. Voraussetzung wäre freilich, dass es überhaupt zur Übernahme kommt. Ob AMS genügend Osram-Aktien angedient werden, steht frühestens am Nikolaustag fest. Die nächsten Schritte wären die Genehmigungen der Kartellbehörden. Der Vollzug der Übernahme wäre dann voraussichtlich im April 2020. Wie Theo Waigel Ederers Aufgabenbeschreibung “Monitorin” ist eine krude Wortschöpfung aus dem englischen Wort für Wächter und der deutschen weiblichen Form. Bekanntheit als Monitor hatte hierzulande der frühere CSU-Politiker und Bundesfinanzminister Theo Waigel erlangt. Wegen des Korruptionsskandals von Siemens hatten das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC dem Konzern einen Wächterposten zur Auflage gemacht. Waigel erfüllte diese Aufgabe von 2009 bis 2012.Diese Zeit überschnitt sich mit Ederers Jahren im Siemens-Vorstand. 2001 war die Sozialdemokratin mit dem Spitznamen “rote Gitti” zunächst zur Landesgesellschaft in Österreich gekommen und wurde dort vier Jahre später Vorstandsvorsitzende, ehe sie in die Konzernzentrale nach München wechselte. Vom Frühjahr 2010 bis Herbst 2013 war sie für das Personalressort verantwortlich.Nach dem Abgang ihres Landsmanns Peter Löscher als Vorstandschef musste auch sie gehen, als es Streit mit dem Betriebsrat gab. Im Fall von AMS und Osram soll sie bei Bedarf Hilfe leisten, damit es erst gar nicht zu einem Konflikt kommt.